Was ist eine nichttuberkulöse Mykobakteriose?
Unter dem Begriff nichttuberkulöse Mykobakteriose werden alle Erkrankungen zusammengefasst, die durch Mykobakterien, jedoch nicht durch die Erreger von Tuberkulose oder Lepra ausgelöst werden. Mykobakterien sind eine Bakteriengattung, die in der Umwelt weit verbreitet vorkommt. Viele von ihnen sind für den Menschen ungefährlich, jedoch gibt es einige Arten, die Infektionskrankheiten auslösen können. Dazu zählen zum einen Mycobacterium tuberculosis und Mycobacterium leprae, die die Erkrankungen Tuberkulose und Lepra verursachen. Zum anderen gibt es noch weitere Mykobakterien, die Erkrankungen beim Menschen hervorrufen können. Diese werden als nichttuberkulöse oder atypische Mykobakterien bezeichnet. In der Fachsprache werden sie häufig als "MOTT - Mycobacteria other than tuberculosis" abgekürzt.
Geschwächtes Immunsystem als Risikofaktor
Nichttuberkulöse Mykobakterien kommen überall in der Umwelt vor. Menschen sind also praktisch ständig in Kontakt mit dieser Bakterienart. Zu einer Erkrankung kommt es jedoch in der Regel nur bei Personen, deren Immunsystem geschwächt ist. Dazu zählen zum Beispiel Patienten, bei denen einer der folgenden Risikofaktoren vorliegt:
- Mukoviszidose
- AIDS
- Lungenerkrankungen wie zum Beispiel COPD
- Lungenkrebs
- Chemotherapie oder immunsuppressive Therapie
- Alkoholabhängigkeit
- Rauchen
Bei gesunden Menschen kommt eine nichttuberkulöse Mykobakteriose nur äußerst selten vor.
Nichttuberkulöse Mykobakteriose: Infektionsquelle Umwelt
Die Übertragung von nichttuberkulösen Mykobakterien erfolgt meist über die Umwelt. Infektionsquellen sind beispielsweise Gewässer wie Seen und Flüsse sowie Erde und Staub, aber auch Trinkwasser. Zudem kann eine Infektion bei unhygienischer Verwendung von medizinischen Geräten wie Kathetern oder Beatmungsgeräten stattfinden. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist hingegen nicht nachgewiesen.
Lunge am häufigsten betroffen
Von einer nichttuberkulösen Mykobakteriose können verschiedene Organe des Körpers betroffen sein. Häufig verursachen die Bakterien eine Lungeninfektion, die ähnlich wie eine Tuberkulose verläuft. Dabei können Symptome wie Husten mit Auswurf (gelegentlich auch blutig), Atemnot, Fieber, Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit auftreten.
Seltener kommen nichttuberkulöse Mykobakteriosen an der Haut vor. Eine typische Hauterkrankung, die durch nichttuberkulöse Mykobakterien verursacht wird, ist das sogenannte Schwimmbadgranulom. Es tritt bevorzugt bei Aquarienhaltern oder Personen, die in der Fischindustrie arbeiten auf und äußert sich durch knötchenförmige Hautveränderungen an Knien, Händen und Ellenbogen.
Formen der nichttuberkulösen Mykobakteriose
Weitere Formen der nichttuberkulösen Mykobakteriose können Wundinfektionen, Abszesse und eine Knochenmarkentzündung des Brustbeins nach einer offenen Herzoperation sein. Bei Kindern unter fünf Jahren ist eine einseitige, schmerzlose Lymphknotenschwellung im Halsbereich (zervikale Lymphadenopathie) mit leichtem Fieber häufig das einzige Symptom einer nichttuberkulösen Mykobakteriose.
Insbesondere bei AIDS-Patienten kann eine generalisierte Infektion mit nichttuberkulösen Mykobakterien vorkommen. Hierbei befallen die Erreger zahlreiche Organe wie Leber, Milz, Darm, Lunge und Knochenmark. Die Symptome sind jedoch häufig unspezifisch: Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Durchfall und Bauchschmerzen können auf viele Erkrankungen hinweisen.
Diagnostik sehr aufwändig
Da nichttuberkulöse Mykobakterien praktisch überall vorkommen und auch auf den Schleimhäuten von gesunden Personen zu finden sind, ist die Diagnostik oft recht schwierig. Abhängig von den Symptomen werden Proben von Auswurf, Blut, Urin, Stuhl, Gewebe oder Lymphknoten entnommen und auf die Erreger untersucht. In der Regel müssen allerdings mindestens drei Proben untersucht werden, um eine Verunreinigung – beispielsweise durch Mykobakterien im Leitungswasser – auszuschließen. Zusätzlich ist bei Verdacht auf eine Lungeninfektion ein Röntgen- oder CT-Bild erforderlich, um die Diagnose zu sichern.
Therapie nicht immer notwendig
Die Behandlung einer nichttuberkulösen Mykobakteriose erfolgt meist durch eine Kombination verschiedener Antibiotika. Da die Bakterien jedoch gegen viele der üblichen Antibiotika resistent sind, müssen oftmals aggressive Wirkstoffe eingesetzt werden, die entsprechende Nebenwirkungen mit sich bringen. Zudem beträgt die Therapiedauer bis zu 24 Monate. Daher wird nach der Diagnose einer nichttuberkulösen Mykobakteriose gründlich abgewogen, ob der Nutzen einer Behandlung die Risiken überwiegt.
Kriterien bei der Entscheidung für oder gegen eine Therapie sind unter anderem die Schwere der Symptome, die Keimanzahl in der Probe und der Befund des Röntgen- oder CT-Bildes. Auch der Allgemeinzustand des Patienten muss berücksichtigt werden.
Nichttuberkulöse Mykobakteriose: Behandlung mit Antibiotika
Soll eine Therapie durchgeführt werden, kommt in der Regel eine Kombination aus drei bis vier der folgenden Antibiotika zum Einsatz:
- Wirkstoffe gegen Tuberkulose wie Rifamycine, Ethambutol, Streptomycin oder Isoniazid
- Clarithromycin oder Azithromycin
- Ciprofloxacin, Moxifloxacin oder Levofloxacin
- Protionamid, Amikacin oder Linezolid
- Tetrazykline oder Imipenem
- Sulfonamide oder Trimethoprim und Sulfamethoxazol
- Tigecyclin
OP manchmal sinnvoll
Ist die nichttuberkulöse Mykobakteriose lokal begrenzt – etwa wenn nur ein Lymphknoten oder ein kleiner Teil der Lunge betroffen ist – ist eine Operation zur Entfernung des entsprechenden Bereichs unter Umständen eine sinnvolle Behandlungsmöglichkeit. Auch bei tiefergehenden Wund- oder Hautinfektionen kann eine Operation in Verbindung mit einer Antibiotikatherapie erfolgreich sein.