Schwerhöriges Kind beim Hörtest
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Schwerhörigkeit bei Kindern

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 14.10.2020

Etwa eines von 1.000 Kindern kommt in Deutschland mit einer schweren Hörminderung zur Welt, weitere sind mittelgradig oder leicht schwerhörig. Eine mögliche Folge ist, dass diese Kinder nur eingeschränkt oder gar nicht sprechen lernen, was sich auf die gesamte Entwicklung auswirkt. Deshalb muss eine Hörstörung frühestmöglich erkannt werden. Wie man eine Schwerhörigkeit (Hypakusis) bei Kindern erkennt und behandelt, lesen Sie hier.

Folgen von Schwerhörigkeit bei Kindern

Für eine optimale Entwicklung von Kindern ist ein gutes Gehör unbedingt notwendig: Nur durch gutes Hören lernen Kinder zu sprechen und zu verstehen, sich mitzuteilen, Zwischentöne und Betonungen im Gespräch richtig wahrzunehmen und im Leben zurecht zu finden.

Schlechtes Hören geht oft mit Orientierungsverlust, zum Beispiel im Straßenverkehr, und mit Lernproblemen einher, auch die spätere Berufswahl ist eingeschränkt. Deshalb ist es extrem wichtig, dass Hörstörungen so früh wie möglich entdeckt werden.

Formen und Ursachen der Schwerhörigkeit

Je nachdem, welcher Bereich im Ohr betroffen ist, wird zwischen Schallleitungs- und Schallempfindungsschwerhörigkeit unterschieden:

  • Schallleitungsschwerhörigkeit: Hierbei gelangt der Schall nur vermindert oder gar nicht bis ins Innenohr, weil die Weiterleitung im Gehörgang oder Mittelohr beeinträchtigt ist. Eine Schallleitungsschwerhörigkeit besteht meist nur vorübergehend, zum Beispiel bei einem Ohrenschmalzpfropf, einer Mittelohrentzündung oder einem Paukenerguss. Das Hören bleibt aber eventuell als Folge von wiederkehrenden Infektionen dauerhaft beeinträchtigt, da sich dabei an den Gehörknöchelchen Kalk ablagern kann und diese deshalb nicht mehr so gut den Schall weiterleiten können.
  • Schallempfindungsschwerhörigkeit: Hier ist die Schallaufnahme und -verarbeitung im Innenohr vermindert – meist durch geschädigte Sinneshärchen. Die Innenohrschwerhörigkeit bei kleinen Kindern ist meist angeboren und besteht beidseits; besonders betroffen sind Frühgeborene. Bei älteren Kindern führen zum Beispiel Medikamente, Infektionskrankheiten wie Mumps und Masern oder eine Hirnhautentzündung zu einer meist irreparablen Schädigung des Innenohrs.

Ursächlich für eine Hörminderung beim Säugling können Auslöser sein, die vor, während oder nach der Geburt erfolgt sind. Auslösende Faktoren vor der Geburt sind etwa Alkoholkonsum der Mutter oder Erkrankungen der Mutter, wie schwere Virusinfekte, Stoffwechselerkrankungen oder Syphilis. Durch Probleme während der Geburt, wie Sauerstoffmangel oder eine Frühgeburt, können ebenfalls Hörschädigungen entstehen. Nach der Geburt sind beim Säugling vor allem Entzündungen oder Infektionskrankheiten die Ursache von Hörproblemen.

Daneben führt auch die wachsende Lärmbelästigung im Alltag zu Hörproblemen bei Kindern und Jugendlichen. Ob Spieluhren für die Kleinsten, batteriegetriebenen Feuerwehrautos und Spielzeugpistolen für die älteren Kinder oder Dauerberieselung durch "Knöpfe" im Ohr sowie Beschallung in Clubs und auf Konzerten bei den Jugendlichen: Mancher Teenager hört heute schon schlechter als seine Großeltern.

Eine weitere Einteilung ist die nach angeborenen und erworbenen sowie vorübergehenden und permanenten Störungen. Je nach der Ausprägung der Hörminderung spricht man von gering-, mittel- und hochgradiger Schwerhörigkeit sowie Ertaubung (Hörrestigkeit). Bei den permanenten Hörstörungen des Kindes sind je ein Drittel genetisch bedingt, erworben und ungeklärt.

Schwerhörigkeit bei Kindern früh erkennen

Mit schmerzlosen, objektiven Hörprüfmethoden wie dem OAE-Test (OAE = Otoakustische Emissionen) können bereits in den ersten Lebenstagen mehr als 95 Prozent der angeborenen Hörstörungen erfasst werden. Seit Anfang 2009 gehört solch ein Hörtest bei Babys in den ersten drei Lebensmonaten zu den Kassenleistungen. Bei den späteren kinderärztlichen Untersuchungen (vor allem U3, U4, U5) wird das kindliche Gehör erneut überprüft.

Mit diesem Screening schafft man es meist, vorliegende Hörstörungen so früh zu entdecken, dass durch die entsprechende Therapie eine Sprach- und Entwicklungsverzögerung gar nicht erst eintritt.

Kriterien für ein gesundes Gehör im Kindesalter

Trotzdem sollten Sie als Eltern im Alltag Ihr Kind gut beobachten. Erfüllt es die folgenden Punkte, durchläuft es vermutlich eine normale die Hör- und Sprachentwicklung und Sie müssen sich keine Sorgen um sein Gehör machen:

  • In der 4. bis 6. Lebenswoche ist es normal, dass sich Säuglinge bei plötzlichen lauten Geräuschen erschrecken. Bei gutem Zuspruch der Eltern sollten sie sich wieder beruhigen.
  • Im 3. bis 4. Lebensmonat lachen Säuglinge stimmhaft und brabbeln. Auch sollten sie ihre Augen in Richtung der Schallquelle bewegen.
  • Säuglinge im 6. bis 7. Lebensmonat können in der Regel erste zweisilbige "Wörter" von sich geben und Musik lauschen.
  • Mit 10 bis 12 Monaten reagieren Säuglinge auf leises Ansprechen aus etwa einem Meter Entfernung reagieren. Auch sollten sie Verbote verstehen.
  • Etwa zum zweiten Geburtstag sollten Kleinkinder Anweisungen befolgen können, die ihnen ins Ohr geflüstert werden.

Tipps für einfache "Hörtests": Die Geräusche und Töne sollten so gemacht werden, dass das Kind die Quelle nicht sehen oder fühlen kann, damit es wirklich nur auf das Gehörte und nicht auf andere Reize reagiert. Die Geräusche sollten unterschiedlich laut, hell und dumpf sein, da manchmal nur bestimmte Tonlagen nicht richtig wahrgenommen werden.

Anzeichen für Hörprobleme bei Kindern

Trifft bei Ihrem Kind einer oder mehrere der folgenden Punkte zu, sollten Sie mit Ihrem Kinderarzt sprechen. Zwar entwickelt sich jedes Kind nach seinem eigenen Tempo, doch bei den geringsten Anzeichen ist Vorsicht besser als Nachsicht. So kann zum Beispiel ein leichter Hörverlust nur durch einen Hörtest festgestellt werden; die genaue Beobachtung des kindlichen Verhaltens allein reicht hier nicht aus.

Diese Anzeichen deuten auf eine Schwerhörigkeit bei Kindern hin:

  • Das Kind macht keine Fortschritte in seiner Sprachentwicklung; selbst kurze Sätze zu sprechen, fällt ihm schwer.
  • Wird es angesprochen, antwortet es nur verzögert oder gar nicht.
  • Das Kind erschreckt sich nicht bei lauten Geräuschen (zum Beispiel Türenschlagen) beziehungsweise wird nicht wach.
  • Es kann Geräusche oder Tierlaute nicht imitieren.
  • Es hat Schwierigkeiten, Geräusche zu orten und reagiert auf Geräusche und Sprache außerhalb seines Blickfelds nicht.
  • Es kann Alltagsgegenstände wie Kleidungsstücke oder Körperteile nicht bezeichnen.
  • Das Kind hat nur wenige soziale Kontakte und ist ein Einzelgänger.
  • Beim Kind häufen sich Ohrentzündungen.

Schwerhörigkeit bei Kindern behandeln

Bestätigt sich der Verdacht auf eine Hörstörung, ist keine Zeit zu verlieren: Auch bei Kindern, die dem Säuglingsalter entwachsen sind, behindert eine für längere Zeit unbehandelte Hörminderung die Entwicklung. Die Therapie angeborener Hörstörungen sollte möglichst innerhalb der ersten sechs Lebensmonate beginnen: Die kindlichen Hörbahnen brauchen in den ersten Lebensjahren akustische Reize, um richtig reifen zu können.

Therapiemöglichkeiten: Hörgeräte für Kinder

Das Hörvermögen der meisten Kinder lässt sich mit Hörgeräten bessern. Diese sollten fachkundig angepasst werden, in der Regel durch einen eigens dafür qualifizierte Hörakustiker, den sogenannten Pädakustiker.

Neben Hörgeräten, die den Schall verstärken, setzt man manchen Kindern auch ein Cochlea-Implantat ein, das die Schallwellen weiterverarbeitet. Je nachdem, wie alt Ihr Kind ist und wie Hören und Sprechen beeinträchtigt sind, begleiten weitere Maßnahmen die Therapie:

  • Logopädie
  • Hörtraining
  • Erlernen des Lippenlesens und der Gebärdensprache
  • Hilfestellung beim Bewältigen des Alltags (für Kind und Eltern)

Eltern als Stütze der Behandlung

Wichtig ist, dass Sie als Eltern zum Hörproblem Ihres Kindes stehen und es unterstützen. Sie sollten Ihrem Kind nicht das Gefühl vermitteln, dass es einen Makel hat – dies kann zu mangelndem Selbstbewusstsein, zum Verlust von Aufgeschlossenheit und eingeschränkter Lebensfreude führen. Ein Kind lernt nur, mit seinem Hörschaden umzugehen und ein Hörgerät anzunehmen, wenn auch seine Eltern dies tun.

Hörsysteme müssen regelmäßig getragen werden. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Menschen, mit denen das Kind zu tun hat, über die Hörschwäche zu informieren. Ansonsten sind Kommunikationsprobleme mit allen sozialen Folgen, wie Schulschwierigkeiten und Vereinsamung vorprogrammiert.