Mit einer Stammzellspende Leukämiepatienten retten
Alle 16 Minuten erhält ein Mensch in Deutschland die Diagnose Leukämie. Wenn eine Chemotherapie oder Bestrahlung nicht gelingt, ist eine Stammzell- oder Knochenmarktransplantation oft die letzte Chance für die Patienten. Bei etwa einem Drittel der Patienten kommt eine Spende aus der Familie in Frage, aber häufig wird ein Fremdspender benötigt, der über eine Spenderdatei gefunden werden kann. Lesen Sie hier, wie Sie sich typisieren lassen können und erfahren Sie mehr über Ablauf und Risiken einer Stammzellspende.
Suche nach einem "genetischen Zwilling"
Damit ein Leukämiepatient eine Stammzellspende erhalten kann, muss ein "genetischer Zwilling" gefunden werden: ein Spender, bei dem bestimmte Gewebemerkmale und Oberflächenmarker auf den weißen Blutkörperchen mit denen des Patienten übereinstimmen. Sind diese Merkmale sehr selten, kann unter Umständen nur einer unter Millionen Menschen als Spender in Frage kommen. Deswegen dauert die Suche oft mehrere Monate.
Um die Suche zu erleichtern, ist es wichtig, dass sich möglichst viele Menschen in einer Spenderdatei registrieren lassen. Die größte und bekannteste Organisation in Deutschland ist die DKMS – die Deutsche Knochenmarkspenderdatei. Seit 1991 haben sich dort 3,7 Millionen Menschen typisieren lassen.
Durch Typisierung Spender werden
Jeder, der zwischen 18 und 55 Jahre alt ist, körperlich gesund ist und über 50 kg wiegt, kann sich in einer Spenderdatei registrieren lassen. War früher noch eine Blutentnahme zur Typisierung notwendig, reicht heute ein Abstrich der Wangenschleimhaut mit einem Wattestäbchen. Bei der DKMS können Sie sich online registrieren und bekommen anschließend ein Set nach Hause geschickt. Nach entnommenem Abstrich senden Sie das Wattestäbchen einfach wieder zurück – natürlich kostenfrei. Allerdings kostet eine Typisierung die DKMS 50 Euro, mit denen die Laborkosten für die Bestimmung der Merkmale gedeckt werden. Daher sind die Spenderdateien ständig auf Spendengelder und Finanzierungsaktionen angewiesen.
Häufig werden von der DKMS oder anderen Organisationen Typisierungsaktionen veranstaltet, bei denen sich jeder informieren und ohne Anmeldung direkt registrieren lassen kann. Dort entnehmen Helfer den Abstrich und stehen für Fragen zu Verfügung.
Den passenden Spender finden
Nach der Typisierung werden die anonymen Spenderdaten an das Zentrale Knochenmarkregister Deutschland (ZKRD) weitergegeben, wo sie gesammelt und an Patienten weltweit vermittelt werden. Wurden zwischen einem Leukämie-Patienten und einem potentiellen Spender erste Gemeinsamkeiten festgestellt, werden durch eine Blutprobe zusätzliche Gewebemerkmale des Spenders überprüft. Gibt es auch hierbei eine ausreichende Übereinstimmung, wird der potentielle Spender gründlich körperlich untersucht.
Erst wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind und ein Arzt über die Verfahren und alle möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt hat, entscheidet sich der mögliche Spender endgültig, ob er spenden möchte. Kommt es zu einer Spende, können Stammzellen durch zwei verschiedene Methoden entnommen werden.
Stammzellen oder Knochenmark spenden?
Heutzutage wird in 80 Prozent der Fälle die so genannte periphere Stammzellspende (Apherese) durchgeführt. Dabei wird dem Spender fünf Tage lang ein hormonähnlicher Stoff (Wachstumsfaktor C-GSF) unter die Haut gespritzt. Dieser bewirkt, dass die Stammzellen, die sich normalerweise überwiegend im Knochenmark befinden, zur Vermehrung angeregt und ins Blut geschwemmt werden. In dieser Stimulierungsphase können grippeähnliche Symptome auftreten.
Nach Abschluss dieser Phase folgt die sogenannte Apherese, die ähnlich wie eine Blutspende funktioniert: Über einen venösen Zugang wird das Blut ausgeleitet und die Stammzellen herausgefiltert, gleichzeitig wird der Rest des Blutes wieder an den Spender zurückgegeben. Diese Methode dauert ungefähr vier Stunden und ist für den Spender angenehmer als eine Knochenmarkspende, da sie ambulant erfolgt und keine Narkose nötig ist. Wenn nicht genügend Zellen gesammelt werden konnten, muss der Vorgang am nächsten Tag wiederholt werden.
Operation bei Knochenmarkspende
Bei der konventionellen Methode – der Knochenmarkspende – wird Knochenmark samt den lebensrettenden Stammzellen unter Vollnarkose aus dem Beckenkamm entnommen. Knochenmark ist hier nicht zu verwechseln mit dem Rückenmark, das zum zentralen Nervensystem gehört und mit der Stammzellspende nichts zu tun hat. Das Knochenmark wird vom Körper schnell wieder nachgebildet, so kommt es beim Spender nicht zu einem Mangel. Wie bei jeder Operation besteht ein minimales Narkose- und Infektionsrisiko, außerdem kann es zu Wundschmerzen kommen. Meistens bleibt der Spender ein bis zwei Nächte im Krankenhaus.
Diese Methode wird seit 1996 zunehmend von der peripheren Stammzellspende abgelöst und heute nur noch in speziellen Fällen eingesetzt. Beispielsweise wird auf eine Knochenmarkspende zurückgegriffen, wenn der Empfänger ein Kind ist oder eine bestimmte Form der Leukämie hat, bei der Knochenmark effektiver ist.
Insgesamt sind die Risiken bei beiden Methoden gering, meist ist der Spender nach wenigen Tagen wieder fit. Die Spende erfolgt in der Regel in einem Entnahmezentrum im Umkreis des Spenders, um den Aufwand für diesen möglichst gering zu halten. Sämtliche entstehende Kosten werden von der Krankenkasse des Empfängers übernommen. Nach der Entnahme werden die Zellen von einem Kurier zur Klinik des Patienten gebracht, wo sie noch am selben Tag transplantiert werden.
Was bewirken die Stammzellen?
Beim Patienten wird in einer Vorbereitungsphase (Konditionierung) das erkrankte Knochenmark durch Chemotherapie und andere Medikamente völlig zerstört. Dies ist aus zwei Gründen wichtig:
- Zum einen müssen die Krebszellen, die aus dem Knochenmark stammen, soweit wie möglich vernichtet werden.
- Zum anderen muss das Immunsystem des Patienten unterdrückt werden, damit die fremden Stammzellen nicht abgestoßen werden.
Nach dieser Phase erfolgt die Transplantation der gesunden Stammzellen des Spenders, die der Empfänger wie eine Bluttransfusion in die Venen erhält. Aus dem Blutkreislauf finden die Zellen von selbst ihren Weg ins Knochenmark des Patienten. Dort siedeln sich die Stammzellen an und bilden neue, gesunde Blutzellen, die die verbleibenden Krebszellen abtöten. Im Idealfall besiegen die gespendeten Stammzellen so die Leukämie und der Patient ist geheilt.
Risiken und Komplikationen
Die Erfolgsquote einer Stammzelltransplantation liegt bei etwa 40 bis 70 Prozent und ist von vielen Faktoren wie Alter und Zustand des Patienten sowie der Art der Erkrankung abhängig. Zudem können wie bei jeder Behandlung Komplikationen auftreten: Da der Patient einige Wochen völlig ohne Immunsystem lebt, sind trotz umfangreicher Hygienemaßnahmen Infektionen sehr häufig.
Außerdem kann es zur sogenannten "Graft-versus-Host-Disease" kommen: Dabei greift das durch die gespendeten Stammzellen entstehende "fremde" Immunsystem den Körper des Empfängers an. Dies äußert sich beispielsweise durch Haut- und Schleimhautentzündungen oder durch Probleme im Magen-Darm-Trakt. Nicht zuletzt besteht immer die Möglichkeit, dass der Krebs zurückkommt.
Kontaktaufnahme zum Patienten
Geld bekommt man keines für die Stammzellspende – der Lohn ist das gute Gefühl, möglicherweise einem Menschen das Leben gerettet zu haben. Die Spende erfolgt anonymisiert, jedoch besteht die Möglichkeit, mit dem Patienten per Brief Kontakt aufzunehmen. Auf Wunsch beider Seiten wird die Anonymität nach zwei Jahren aufgehoben und es kann zu einem Treffen zwischen Spender und Patient kommen.