Multiple Sklerose: Therapie, Lebenserwartung & Leben mit MS
Bei Multipler Sklerose (MS) handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Nervensystems. Die Krankheit kann aktuell noch nicht geheilt werden. Aus diesem Grund werden im Rahmen der Therapie insbesondere die akuten Symptome behandelt. Dadurch sollen bestehende Beschwerden gelindert und eine möglichst hohe Lebensqualität für die Betroffenen gesichert werden. Eine erfolgreiche Therapie kann auch den Verlauf von starken Krankheitsschüben positiv beeinflussen. Mit Multipler Sklerose kann man deshalb entgegen einer weit verbreiteten Annahme häufig ein ganz normales Leben führen. Die Diagnose der chronischen Erkrankung stellt für die meist jungen Betroffenen dennoch meist einen drastischen Einschnitt in ihrem Leben dar und bedeutet eine Neudefinition der beruflichen und privaten Zukunft. Welche Möglichkeiten zur Behandlung es gibt, wie eine Multiple Sklerose die Lebenserwartung beeinflusst und welche Tipps dazu beitragen können, das Leben mit MS zu meistern, erfahren Sie in diesem Artikel.
Welche Therapien gibt es bei MS?
Im Moment sind es Ziele einer Therapie bei MS, die Anzeichen eines Schubs zum Verschwinden zu bringen, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen und Komplikationen und langfristige Einschränkungen zu vermeiden. Die Behandlung bei Multipler Sklerose basiert auf zwei Säulen: zum einen der Schubtherapie zur Behandlung eines akuten Schubs, zum anderen der verlaufsmodifizierenden Therapie, die die Anzahl und der Schwere der Schübe reduzieren soll.
Medikamente gegen MS
Wann und wieso welche Wirkstoffe und Präparate bei MS helfen können, ist unterschiedlich:
- Die Medikamente der verlaufsmodifizierenden Therapie werden vorbeugend gegeben, um die Häufigkeit und Schwere der Schübe bei Multipler Sklerose abzuschwächen. Mit solch einer langfristigen Therapie wird die Immunabwehr unterdrückt und damit auch die der MS zugrunde liegende Autoimmunreaktion. Bei leichten Beschwerden wird die sogenannte Basistherapie durchgeführt. Dazu gehören sogenannte Immunmodulatoren (Beta-Interferone, Glatirameracetat), die in den Muskel oder unter die Haut gespritzt werden. Daneben gibt es mittlerweile auch Medikamente als Hartkapseln oder in Tablettenform (unter anderem Teriflunomid, Cladribin, Ozanimod).
- Schreitet die Multiple Sklerose fort, werden im nächsten Schritt niedrig dosierte Zytostatika oder Immunglobuline über die Vene gegeben, die ebenfalls die Immunreaktionen eindämmen. Bei einer hochaktiven Verlaufsform oder wenn die anderen Immuntherapeutika nicht wirken, können die monoklonalen Antikörper Fingolimod, Ocrelizumab, Alemtuzumab oder Natalizumab gegeben werden. Seit 2020 besteht außerdem die Therapieoption mit Ozanimod.
- Im akuten Schub werden zur Schubtherapie Glukokortikoide wie Kortison als Infusion gegeben. Falls durch diese Therapie keine Besserung erzielt werden kann, kann darüber hinaus eine Blutwäsche (Plasmapherese) zum Einsatz kommen.
- Unspezifische Beschwerden wie Schmerzen, erhöhte Muskelspannung (Spastik), Entleerungsstörungen von Blase oder Darm und Depression werden mit entsprechenden Wirkstoffen symptomatisch behandelt.
Zahlreiche Nebenwirkungen durch Medikamente möglich
Die zur Therapie von MS eingesetzten Medikamente können verschiedene und teilweise starke Nebenwirkungen auslösen. Häufige Nebenwirkungen von Kortison sind Magen-Darm-Beschwerden sowie zentralnervöse Beschwerden wie Herzrasen oder Schlafstörungen. In seltenen Fällen kommt es zu schwerwiegenderen Problemen wie Schleimhautentzündungen im Dünndarm oder Krampfanfällen.
Zur Schubreduzierung werden bereits zu Beginn der Erkrankung einige Medikamente eingesetzt, die eher geringe Nebenwirkungen auslösen und die deshalb recht gut verträglich sind. Mögliche Nebenwirkungen, die im Laufe dieser Basistherapie auftreten können, sind unter anderem grippeähnliche Beschwerden, Depressionen, Kopfschmerzen und Hautreaktionen (häufig an der Einstichstelle, aber auch in Form von großflächigen Rötungen, sogenannten "Flushs" und Nesselsucht).
Schwerwiegendere Nebenwirkungen sind bei der Anwendung von Zytostatika, Immunglobulinen und monoklonalen Antikörpern möglich. Potenzielle Nebenwirkungen sollten generell immer mit dem*der Arzt*Ärztin besprochen werden. Auch ist eine regelmäßige ärztliche Kontrolle während der Therapie notwendig.
MS-Symptome erkennen
Unterstützende Maßnahmen bei der Therapie von MS
Zur Therapie bei MS gehören auch begleitende Maßnahmen wie die Physiotherapie und Ergotherapie, um möglichst lange die Beweglichkeit zu erhalten und Komplikationen wie Nieren- oder Lungenentzündungen zu vermeiden. Gegen die Spastik können auch zusätzlich Cannabinoide oder Botulinumtoxin zum Einsatz kommen.
Unterstützend kann Betroffenen auch eine Psychotherapie helfen, um das Leben mit MS besser meistern zu können. Zudem kann der Austausch mit anderen Betroffenen, etwa in Form von Selbsthilfegruppen, ratsam sein. Gerade in der Anfangszeit nach der Diagnose sind Unterstützung, Verständnis und Tipps von anderen Betroffenen hilfreich und können Mut machen.
Alternative Behandlungsmethoden wie bestimmte Ernährungsformen, Akupunktur, Homöopathie, Meditation, Entspannungsverfahren oder Kraniosakral-Therapie können begleitend zur MS-Therapie zum Einsatz kommen; der wissenschaftliche Nachweis der Wirksamkeit fehlt jedoch größtenteils.
Ernährung bei Multipler Sklerose
Die genauen Auslöser von MS sind bisher ebenso wie die Ursachen nicht bekannt. MS tritt besonders häufig in industriell entwickelten Ländern mit eher gemäßigten Klimazonen auf. In diesen Ländern sind fettreiche Lebensmittel, wie Fleisch, Wurst, Käse und Butter Bestandteil der Ernährung. Klima, Ernährung und Lebensgewohnheiten scheinen daher Einfluss auf die Multiple Sklerose zu haben.
Wissenschaftlich belegt ist nicht, dass sich eine bestimmte Ernährungsform positiv auf den Verlauf von MS auswirkt. Dies wird lediglich vermutet und von Betroffenen berichtet. Wie in den allgemeinen Ernährungsempfehlungen, sollte auch die Ernährung bei MS möglichst ausgewogen und vollwertig sein, mit viel frischem Obst und Gemüse, wenig Fleisch und Fett.
Es wird vermutet, dass für die fehlgerichtete Immunreaktion bei MS bestimmte Botenstoffe verantwortlich sind. Diese werden aus der mehrfach ungesättigten Fettsäure Arachidonsäure gebildet, die hauptsächlich in tierischen Nahrungsmitteln enthalten ist. Aus diesem Grund sollte sich die Ernährung bei MS auf maximal zwei Fleischmahlzeiten pro Woche beschränken. Fette Wurst und Innereien sollten vermieden werden.
Anstelle der tierischen Fette wie Butter, Schweineschmalz und Gänsefett eignen sich Diätmargarine und pflanzliche Öle (Sojaöl, Leinöl, Weizenkeimöl). Ideal ist ein hoher Anteil an Omega-3-Fettsäuren, die nachweislich die Bildung von Entzündungsstoffen im Körper hemmen. In hoher Konzentration verfügen auch viele Fischarten über diese Fettsäuren. Ein optimaler Speiseplan umfasst pro Woche mindestens zwei bis drei Mahlzeiten mit fettem Seefisch.
Gesunde Ernährung bei Multiple Sklerose auf einen Blick
Folgende Tipps sollte man beachten:
Sport bei Multipler Sklerose
Sport hat viele positive Effekte auf Körper und Seele – das gilt auch bei Multipler Sklerose. So werden das Körpergefühl und die Beweglichkeit verbessert, aber auch das Risiko für eine Depression wird gesenkt.
Generell kann Sport eine Vielzahl von Vorteilen für die Gesundheit mit sich bringen:
- Wer regelmäßig in Bewegung ist, bringt sein Herz-Kreislauf-System in Schwung und baut Stress ab.
- Durch Sport lässt sich der Cholesterinwert senken.
- Sport kann das Risiko, an Osteoporose oder Arteriosklerose zu erkranken, positiv beeinflussen.
- Auch das Immunsystem kann von Sport und Bewegung profitieren.
- Wer an MS erkrankt ist, kann durch die Ausübung bestimmter Sportarten die Physiotherapie sinnvoll ergänzen.
- Sport wirkt sich positiv auf die Fatigue bei MS aus.
Worauf sollten Betroffene achten?
Nach aktuellem Wissensstand ist eine Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining am sinnvollsten für Menschen mit Multipler Sklerose. Es ist wichtig, ein gesundes Maß der Anstrengung zu finden und Überanstrengung zu vermeiden. Empfohlen werden laut der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche mit jeweils zehn bis 40 Minuten Dauer.
Da die Temperaturregulierung bei MS-Betroffenen oftmals beeinträchtigt ist, ist beim Sport besonders wichtig, darauf zu achten, dass dieser nicht in überhitzten Räumen oder bei extremer Wärme im Freien durchgeführt wird. Zudem ist es ratsam, vor, während sowie nach dem Sport ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Bei MS tritt häufig das sogenannte Uthoff-Phänomen auf. Das bedeutet, dass sich neurologische Symptome bei einer Erhöhung der Körpertemperatur durch Sport verschlechtern. Aus diesem Grund wurde MS-Patient*innen früher häufig von sportlicher Betätigung abgeraten. Diese Probleme bilden sich aber nach dem Sport in der Regel zurück und können beispielsweise durch kühles Duschen wieder reguliert werden.
Es ist ratsam, vor der sportlichen Betätigung ärztliche oder physiotherapeutische Rücksprache zu halten, um bestmögliche therapeutische Effekte erzielen zu können.
Wahl der Sportart bei Multipler Sklerose
Mehrere Faktoren sind für die Wahl der Sportart bei MS entscheidend. Zum einen spielt die körperliche Verfassung eine große Rolle sowie die bislang aufgetretenen Symptome. Zum anderen sind natürlich auch individuelle Fähigkeiten sowie persönliche Neigungen zu bestimmten Sportarten ausschlaggebend.
Sportarten, die sich bei Menschen mit MS bewährt haben:
- Schwimmen: Für viele Menschen mit MS ist Schwimmen ideal, da durch die Schwerelosigkeit im Wasser sogar Gymnastikübungen möglich sind, die außerhalb des Wassers durch die Erkrankung eingeschränkt sein können. Schwimmen kann die Ausdauer sowie die Koordination fördern, daher sind positive Wirkungen auf Bewegungsstörungen (Ataxie) sowie Fatigue möglich. Durch die Bewegungsabläufe kann eine vorhandene Spastik minimiert werden. Allerdings ist beim Schwimmen zu beachten, dass bei einer stark ausgeprägten Spastik das Risiko einer Muskelhypertonie durch den Auftrieb des Wassers auch erhöht werden könnte. Daher sollte Sport im Wasser bei MS zuvor ärztlich oder physiotherapeutisch abgeklärt werden.
- Yoga: Typische Yoga-Bewegungen sowie Dehnungsübungen können zu Verbesserungen der Spastik führen. Atemübungen im Yoga bewirken eine ganzheitliche Entspannung im Körper. Kräftigung sowie Koordination verbessern Störungen in den Bewegungsabläufen.
- Nordic Walking: Die Sportart ist ideal für das Herz-Kreislauf-System. Nordic Walking trainiert Ausdauer, kräftigt Arme und Beine und verbessert die Koordination. Nordic Walking kann je nach MS-Stadium Ataxie, Spastik sowie Lähmungen positiv beeinflussen.
- Tai Chi: Langsame sowie bewusst ausgeführte Übungen im Tai Chi unterstützen die Koordination und trainieren das Gleichgewicht. Bewegungen können auch im Stehen die Spastik reduzieren.
Beruf und Arbeitsplatz mit Multipler Sklerose
Mehr als gesunde Menschen müssen MS-Betroffene darauf achten, sowohl physischen als auch psychischen Stress zu vermeiden, um gut mit ihrer Krankheit leben zu können. MS verläuft sehr unterschiedlich: Während manche Erkrankte stark beeinträchtigt werden, können viele andere ohne große Einschränkungen gut damit leben. Daher sollte die MS-Diagnose nicht automatisch auch zur Berufsaufgabe führen. Im Gegenteil kommen viele Betroffene durch die Ablenkung und die Bestätigung durch den Job sogar besser mit der Krankheit klar.
Menschen mit Multipler Sklerose sollten auch im Beruf Stress möglichst vermeiden, um keine Krankheitsschübe zu provozieren. Daher eignen sich Berufe mit Nacht- oder Doppelschichten ebenso wenig wie Arbeiten mit hohem Stressfaktor oder langen Fahrtwegen. Der Arbeitsplatz selbst sollte so gestaltet sein, dass Sie sich wohlfühlen und in Ruhe arbeiten können. Sorgen Sie dafür, dass der Weg zum nächsten WC möglichst kurz ist und Sie Zugang zu einem Fenster haben, das Sie während der Arbeitszeit öffnen können, um eine kleine Erholungspause an der frischen Luft zu machen.
Offener Umgang mit der Krankheit
Im Bewerbungsgespräch oder im Job sind Sie nicht dazu verpflichtet, von der Krankheit zu berichten. Es sei denn, die Symptome der Multiplen Sklerose stellen in Ihrem Job eine Gefahr für Sie und andere dar.
Wenn Sie in Ihrem Job nach der Diagnose der Multiplen Sklerose von Ihren Vorgesetzten Unterstützung in Form flexibler Arbeitszeiten oder einer Versetzung erwarten, sollten sie diese aber über Ihre Beweggründe aufklären. Sehen Sie sich dazu in der Lage, weiterhin unverändert in Ihrem bisherigen Job zu bleiben, liegt die Entscheidung bei Ihnen, ob Sie Arbeitgeber*in und Mitarbeitende über die Erkrankung aufklären.
Überlegen Sie sich, wie offen Sie mit der Erkrankung umgehen möchten. Während positiver Stress und die persönliche Bestätigung durch die Herausforderung bei der Arbeit für Menschen mit MS wichtig und wohltuend sind, kann zu viel Stress schnell das Gegenteil bewirken. Auch das Verschweigen der Krankheit kann durch das Verstecken und Überspielen der Symptome negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf haben.
Bietet Ihr Job ein harmonisches Arbeitsumfeld, kann es deshalb sehr hilfreich sein, mit offenen Karten zu spielen. Informieren Sie die Kolleg*innen genau über die Krankheit Multiple Sklerose und Ihre Symptome und Beschwerden damit. Haben Sie verständnisvolle Kolleg*innen, werden diese künftig mehr Rücksicht nehmen, wenn Sie einmal an Müdigkeit oder Konzentrationsschwäche leiden.
Erklären Sie jedoch auch, dass Sie nicht automatisch im Rollstuhl landen, sondern dass die Krankheit ganz unterschiedlich verlaufen kann. Damit nehmen Sie die Angst und Scheu vor MS und zeigen, dass sie weiterhin vollwertige Arbeit leisten können.
Arbeitsplatz passend einrichten
Extra große Monitore und Tastaturen können je nach Beschwerden die Arbeit am PC erleichtern. Da der Verlauf von MS schwer absehbar ist, sollten Sie auch im Hinterkopf behalten, ob Ihr Arbeitsplatz bei Bedarf auch mit dem Rollstuhl erreicht werden oder zumindest barrierefrei umgestaltet werden könnte. Da hohe Temperaturen vielen Betroffenen zusetzen, sorgen Sie für eine möglichst niedrige Raumtemperatur. Eine Klimaanlage ist im Sommer meist sinnvoll. Falls normales Arbeiten mit MS in Ihrem Büro nicht möglich ist, kann die Arbeit im Homeoffice gegebenenfalls eine Alternative darstellen. Dies würde auch den möglicherweise anstrengenden Weg zur Arbeit entfallen lassen.
Leiden Sie an schubweisen Schwindelanfällen, Gleichgewichtsstörungen und Konzentrationsschwäche, sollten Sie Arbeiten in großer Höhe oder an schweren Maschinen vermeiden.
Arbeiten trotz MS – Probleme sind oft lösbar!
Ob sich eine betroffene Person dazu entscheidet, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen, hängt zunächst davon ab, wie schwer sie durch die Krankheit beeinträchtigt ist. Kann sie sich beispielsweise durch extreme Müdigkeit (Fatigue) und Schmerzen kaum aus dem Bett quälen, ist an eine Vollzeitbeschäftigung nicht mehr zu denken.
Bevor Sie Ihren Job ganz aufgeben, sollten Sie jedoch Maßnahmen wie Umschulung, Teilzeitarbeit, Teilzeitberentung oder die Versetzung innerhalb der Firma auf einen weniger anstrengenden Posten in Erwägung ziehen. Dies trägt nicht nur zu Ihrer finanziellen Unabhängigkeit und der Steigerung Ihres Selbstbewusstseins bei, sondern erhält der Firma auch die Erfahrung und Kompetenz einer wertvollen Arbeitskraft.
Betroffene, die recht gut mit ihrer Krankheit klarkommen und sich in ihrem Job wohlfühlen, können ohne weiteres im Arbeitsleben bleiben. Viele MS-Erkrankte in Deutschland arbeiten bis zum Rentenalter in einem ganz normalen Job. Sind Sie sich nicht sicher, ob Sie den Ansprüchen eines Fulltime-Jobs genügen können, sollten Sie sich zunächst mit Ihrem*Ihrer Arzt*Ärztin und dann mit dem*der Arbeitgeber*in absprechen.
Hilfe und Kontakt zu anderen Betroffenen finden Sie unter anderem bei der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft.
Verlauf von MS
Leben mit Multipler Sklerose bedeutet zunächst, sich damit auseinanderzusetzen, dass man an einer chronischen Erkrankung leidet. Auch wenn eine Faustregel besagt, dass die Ausprägung der Behinderung fünf Jahre nach Beginn der Multiplen Sklerose etwa zu drei Vierteln der Behinderung entspricht, die nach 10 bis 15 Jahren erreicht sein wird, ist der individuelle MS-Verlauf nicht vorherzusagen. So können anfänglich nur wenige Symptome auftreten, die sich kaum verschlimmern, die Krankheit kann kontinuierlich fortschreiten oder sich immer wieder in Form von einzelnen Krankheitsschüben verschlechtern. Deshalb und aufgrund der vielfältigen Symptome wird Multiple Sklerose auch die Krankheit mit den 1.000 Gesichtern genannt.
Generell unterscheidet man bei MS verschiedene Verlaufsformen. Einen Verlauf mit wiederkehrenden Schüben, bei denen sich die Symptome zwischenzeitlich vollständig oder teils zurückbilden, bezeichnet man als schubförmig-remittierend. Daraus kann sich eine sekundär chronisch-progrediente Verlaufsform entwickeln, bei der die Schübe abnehmen oder ganz verschwinden, die Beschwerden unabhängig davon aber langsam zunehmen. Die dritte Form ist die primär chronisch-progrediente Verlaufsform, bei der es von Beginn an nicht zu Schüben kommt, die Symptome sich aber schleichend verschlechtern.
Eher günstig ist der MS-Verlauf bei:
- Frauen
- Ersterkrankung unter 40 Jahre und mit zunächst nur einem MS-Symptom
- vollständiger Rückbildung der Symptome nach dem ersten MS-Schub
- kurzen Schüben
Lebenserwartung bei Multipler Sklerose
Häufig wird Multiple Sklerose mit schneller Invalidität und Behinderung beziehungsweise der Notwendigkeit eines Rollstuhls gleichgesetzt. Doch glücklicherweise verläuft Multiple Sklerose oft weniger dramatisch und die Lebensqualität wird meist wenig beeinflusst.
Etwa 30 Prozent der Betroffenen weisen auch im längeren Krankheitslauf kaum Einschränkungen durch die MS auf. Etwa genauso viele Erkrankte sind von schweren Behinderungen betroffen. Generell wirkt sich eine passende und frühzeitige Behandlung positiv auf die Stärke der Schübe und damit auch auf die Ausprägung der Beschwerden aus.
Laut den Ergebnissen einer norwegischen Studie ist die Lebenserwartung bei Menschen mit Multipler Sklerose dennoch um etwa 7 bis 14 Jahre verkürzt. Die Studie umfasste einen Zeitraum von 60 Jahren und eine Studiengruppe mit 1.388 Personen. Die Lebenserwartung bei der primär-progredienten Form war in dieser Untersuchung insgesamt etwas schlechter als bei den anderen Formen. Eine US-amerikanische Studie untersuchte einen Zeitraum von zehn Jahren und eine Gruppe von über 30.000 MS-Erkrankten sowie knapp 90.000 nicht-erkrankten Personen. Die Forschenden ermittelten in diesem Fall eine Reduzierung der Lebenserwartung bei MS um 6 bis 7 Jahre.
Insgesamt nähert sich die Lebenserwartung von MS-Patient*innen in den letzten Jahren jedoch mehr und mehr dem Durchschnitt in der Bevölkerung an. Zudem ist die Prognose von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich und wird vom individuellen Verlauf der Krankheit beeinflusst. Aus diesem Grund ist es schwierig, eine allgemeine Aussage zur Lebenserwartung bei Multipler Sklerose zu treffen.