Psychose: Ursachen, Symptome und Behandlung
Psychosen treten aus verschiedenen Gründen auf und können als Überbegriff für diverse psychische Störungen verstanden werden. Das Krankheitsbild selbst ist sehr individuell und Betroffene zeigen eine Vielzahl verschiedener Symptome. Vorrangig sind Wahrnehmung und Denken betroffen – Halluzinationen und Wahnvorstellungen sind dabei typische Anzeichen der Psychose. Doch auch Störungen des Antriebs oder der Stimmungslage sind typisch. Was ist eine Psychose und wie wird sie behandelt? Gibt es Frühwarnzeichen, um eine Psychose zu erkennen? Das und mehr lesen Sie hier.
Definition – was ist eine Psychose?
Die Psychose selbst ist keine einzelne Erkrankung. Nach gängiger Definition ist sie vielmehr als Oberbegriff für verschiedene psychische Störungen zu verstehen, bei denen die Wirklichkeit verzerrt ist und der Realitätsbezug verloren geht. Grundsätzlich unterscheidet man je nach Ursache zwischen primären und sekundären Psychosen.
Die Symptome sind dabei vielfältig und individuell verschieden. In der Regel zeigen sich allerdings meist Denkstörungen, Halluzination und/oder Wahn sowie sogenannte Ich-Störungen. Denken, Erleben und Fühlen sind massiv beeinträchtigt. Ferner kann auch die Motorik gestört sein. Aufgrund des Realitätsverlusts fehlt im Gegensatz zur Neurose während einer akuten Psychose zumeist die Krankheitseinsicht.
Neurosen und Psychosen
Psychose: Häufigkeit
Da sie Folge verschiedener Grunderkrankungen sein können, ist die Wahrscheinlichkeit, einer Psychose zu erkranken, relativ hoch. Man schätzt, dass etwa ein bis zwei von 100 Menschen zumindest einmal im Leben betroffen sind. Besonders häufig treten Psychosen bei Schizophrenie auf, aber auch bei schizoaffektiven oder affektiven Störungen kommen sie vor.
Meist zeigt sich ein erstes psychotisches Geschehen zwischen der späten Jugend und dem 35. Lebensjahr, doch auch in späten Lebensabschnitten sind Psychosen nicht selten – etwa im Rahmen einer Demenz. Psychosen treten bei Männern und Frauen gleich häufig auf. Kinder sind hingegen kaum betroffen.
Welche Arten und Ursachen von Psychosen gibt es?
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen primären und sekundären Psychosen. Mancherorts werden primäre Psychosen auch als endogene (nicht-organisch bedingte) Psychosen bezeichnet, sekundäre Psychosen als exogene (organisch beziehungsweise durch äußere Ursachen bedingte) Psychosen.
Primäre Psychosen
Primäre Psychosen sind nicht auf organische Ursachen zurückzuführen, sondern multifaktoriell geprägt. Die häufigsten Formen sind:
- schizophrene Psychosen (im Rahmen einer Schizophrenie)
- schizoaffektive Psychosen (mit Überschneidungen zwischen Schizophrenie und einer affektiven Störung, wobei der Begriff Affektivität die Gefühls- und Gemütswelt meint)
- affektive Psychosen (im Rahmen einer Manie oder Depression)
- Psychosen bei induzierten oder anhaltenden wahnhaften Störungen (eine induzierte wahnhafte Störung wird auch als Folie à deux bezeichnet und meint, dass eine ansonsten gesunde Person die wahnhafte Störung einer anderen, ihr nahestehenden Person teilt)
- Psychosen bei akuten vorübergehenden psychotischen Störungen
- Psychosen bei schizotypen Störungen
Sekundäre Psychosen
Exogene Psychosen sind stets mit einer Beeinträchtigung des Gehirns verbunden, weshalb man auch von organischen Psychosen spricht. Sie können sich akut oder chronisch zeigen. Dazu gehören:
- Psychosen aufgrund organischer Erkrankungen (zum Beispiel Epilepsie, Hirnverletzungen, Tumore, Infektionen oder Stoffwechselstörungen)
- Psychosen aufgrund von Nebenwirkungen von Medikamenten (etwa Kortikosteroide)
- drogeninduzierte Psychosen (beispielsweise durch Drogen wie Cannabis oder LSD, aber auch Alkohol)
Manchmal können auch tiefgreifende körperliche und seelische Veränderungen Psychosen hervorrufen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die postpartale Psychose, die nach einer Geburt auftreten kann.
Was sind Auslöser von Psychosen?
Während sich sekundäre Psychosen klar auf konkrete Ursachen wie organische Erkrankungen, Verletzungen oder Suchtmittelmissbrauch zurückführen lassen, geht man bei primären Psychosen von einer multifaktoriellen Entstehung aus. So gibt es keinen konkreten Auslöser für das psychotische Geschehen, sondern mehrere Faktoren spielen ungünstig zusammen. Bei entsprechender Veranlagung wird die Psychose – oder die zugrundeliegende psychische Störung – letztendlich ausgelöst.
Klassische Risikofaktoren sind neben der genetischen Komponente und einem Ungleichgewicht von Neurotransmittern (Botenstoffen) im Gehirn diverse psychosoziale Faktoren. So können Traumata wie Missbrauch, Gewalt, schwere Erkrankungen oder Unfälle Psychosen ebenso begünstigen wie Verlusterfahrungen, ein instabiles soziales Umfeld, Stress oder Geldsorgen. Auch Infektionen oder Konsum von Drogen in der Vergangenheit können das Risiko erhöhen. In manchen Fällen liegen Ursachen in der Kindheit, wenn etwa frühkindliche Traumata, unbehandelte Entwicklungsverzögerungen oder Vernachlässigung eine Rolle spielen.
Symptome erkennen: Wie äußert sich eine Psychose?
Was sind nun die Symptome einer Psychose? Nicht immer ist psychotisches Geschehen gleich als solches zu erkennen, denn die Anzeichen sind vielfältig und zeigen sich schleichend. In der Regel können bei einer Psychose eine ganze Reihe von Funktionsbereichen betroffen sein.
Am häufigsten zeigen sich Symptome in der Wahrnehmung und im Denken. So treten klassischerweise Wahnvorstellungen und Halluzinationen auf. Neben einem Verfolgungs- oder Beziehungswahn kommt es zwar vorwiegend zu akustischen Halluzinationen (etwa dem Hören von Stimmen), grundsätzlich kann aber jeder Sinnesbereich betroffen sein.
Ich-Störungen zeigen sich als Gefühl des Gedankenentzugs (Gefühl, dass Fremde einem die Gedanken wegnehmen) sowie der Ausbreitung oder Eingebung von Gedanken. Betroffene haben das Gefühl, keine Kontrolle mehr über ihre Gedanken zu haben.
Zudem sind formale und inhaltliche Denkabläufe gestört. Denkprozesse laufen verlangsamt ab, oder aber sie rasen. Gedankenarmut, Zerfahrenheit oder das Abreißen von Gedanken sind dabei ebenso typisch wie Gedankenkreisen und Zwangsgedanken. Auf Außenstehende wirken Betroffene häufig deutlich verwirrt.
Darüber hinaus zeigen sich Auffälligkeiten in Bezug auf Aufmerksamkeit, Konzentration, Antrieb und Affekt. Neben Auffassungs- und Konzentrationsstörungen kommt es häufig zu Antriebslosigkeit, sozialem Rückzug, Affektarmut sowie depressiver Verstimmung beziehungsweise Depression. Auch Unruhe, Stimmungsschwankungen oder eine manische Stimmungslage sind nicht untypisch. Zudem kann es zu starken Ängsten, Schlafstörungen oder psychosomatischen Beschwerden kommen.
Nicht zuletzt kann bei einer Psychose auch die Motorik beeinträchtigt sein. Motorische Unruhen, stereotype Bewegungsmuster sowie Bewegungsarmut zeigen sich ebenfalls manchmal.
Psychose: Anzeichen im Überblick
Die folgende Liste fasst die möglichen Symptome einer Psychose zusammen:
- Störungen der Wahrnehmung: Halluzinationen, Selbstgespräche (Unterhaltungen mit Stimmen im Kopf) und verzerrter Blick auf die Realität
- Störungen im Denken: inhaltliche und formale Denkprozesse sind gestört (Wahn, Zwangsgedanken, Gedankenrasen, Verlangsamung im Denken, Gedankenarmut etc.)
- Ich-Störungen: Gefühl, die Gedanken werden durch andere beeinflusst (zum Beispiel Eingebung oder Entzug von Gedanken)
- Störungen von Konzentration und Aufmerksamkeit
- Störungen des Antriebs: beispielsweise gesteigerte oder verminderte Energie, Motivationsverlust
- Störungen der Affektivität: Veränderungen der Gefühlswelt (zum Beispiel Manie, Affektarmut, Depression)
- Schlafstörungen
- psychosomatische Beschwerden
- motorische Störungen: zum Beispiel Zappeligkeit, Bewegungsarmut oder stereotype Bewegungsmuster
Frühwarnzeichen: Wie fängt eine Psychose an?
Im Normalfall tritt eine Psychose nicht aus heiterem Himmel auf. Schon Monate – manchmal sogar Jahre – vor einem akuten Schub zeigen sich oftmals leichte Symptome. Diese betreffen in der Regel Konzentration, Antrieb und Gefühlswahrnehmung, werden aber von Betroffenen und deren Umfeld häufig nicht erkannt. Dabei ist die Früherkennung wichtig, um präventive Maßnahmen zu ergreifen und einen Ausbruch zu verhindern beziehungsweise abzumildern.
Klassische Frühwarnzeichen der Psychose sind sehr unspezifisch. So können etwa folgende Warnzeichen auftreten:
- Unruhe
- Interessenlosigkeit und Verlust von Lebensfreude
- Konzentrationsstörungen
- sozialer Rückzug
- Antriebsmangel oder depressive Verstimmungen
- Ängste
- Schlafstörungen
- Veränderungen im Appetit
Zwischenmenschliche Beziehungen sind mitunter deutlich belastet, denn Betroffene zeigen untypische Verhaltensweisen und neigen zu Misstrauen. Auch Kontaktabbrüche kommen vermehrt vor.
Wie wird die Psychose diagnostiziert?
Einen einfachen Test oder gar einen Selbsttest, um Psychosen festzustellen, gibt es nicht. Vielmehr stellen Fachärzte*Fachärztinnen für Psychiatrie nach einem ausführlichen Anamnesegespräch eine Verdachtsdiagnose. Hierbei helfen standardisierte Fragebögen mit klar definierten Kriterien.
Im weiteren Verlauf muss festgestellt werden, ob es sich um eine primäre oder sekundäre Psychose handelt, da dies ist für den Behandlungsverlauf von Bedeutung ist. Neben einer körperlichen Untersuchung kommen hierbei labormedizinische sowie bildgebende Verfahren wie etwa EEG, EKG oder MRT zum Einsatz. Deutet nichts auf organische Gründe hin, wird die Diagnose primäre Psychose gestellt. Um auf die zugrundeliegende psychische Störung zu schließen, muss der Verlauf weiterhin beobachtet werden.
Wie behandelt man eine Psychose?
Unabhängig von der zugrundeliegenden Erkrankung muss eine akute Psychose schnellstmöglich behandelt werden, was mithilfe von antipsychotischen Medikamenten geschieht. Die neue Generation Antipsychotika (auch bekannt als Neuroleptika) ist deutlich nebenwirkungsärmer als frühere Präparate. Zudem tritt die Wirkung meist rasch ein, was den Leidensdruck für die Patient*innen minimiert. Abhängig von weiteren Symptomen werden bei Bedarf auch andere Psychopharmaka – etwa Antidepressiva – eingesetzt.
Ob die medikamentöse Behandlung nur kurzzeitig erfolgt oder präventiv eine langfristige Medikation notwendig ist, entscheidet sich im Einzelfall. Bei starken Psychosen kann zudem ein stationärer Aufenthalt notwendig werden. Nicht zuletzt geht es bei sekundären Psychosen darum, die konkrete Ursache zu therapieren.
Neben der medikamentösen Therapie stellt die Psychotherapie einen Grundpfeiler in der Behandlung von Psychosen dar. Besonders wirkungsvoll sind der Ansatz der Psychoedukation sowie verhaltenstherapeutische Maßnahmen. Aufklärung sowie Auseinandersetzung mit der Erkrankung stehen hier ebenso im Fokus wie der Umgang mit Frühwarnzeichen und belastenden Symptomen. Auch eine Gruppentherapie oder Selbsthilfegruppen können Betroffenen – und deren Angehörigen – helfen. Auch spezielle Entspannungstechniken wie Meditation oder progressive Muskelentspannung werden als hilfreich erlebt.
Verlauf und Heilungschancen bei einer Psychose
Verlauf und Prognose der Psychose sind stets von individuellen Faktoren abhängig. Grundsätzlich haben sekundäre Psychosen eine bessere Prognose als primäre Formen. Sofern die Ursache langfristig behoben werden kann, sind sie sogar heilbar. Auch bei primären Psychosen bleibt es nicht selten bei nur einem Krankheitsschub. Häufiger wechseln akute Schübe allerdings mit längeren beschwerdefreien Phasen. Auch die Möglichkeit einer Chronifizierung mit dauerhaften Symptomen besteht.
Man sieht also, dass es die "klassische Psychose" nicht gibt. Was jedoch alle Ausprägungen eint: Je früher Symptome erkannt, richtig gedeutet und entsprechend behandelt werden, desto besser ist die Prognose. Lassen sich Psychosen in vielen Fällen auch nicht verhindern, ist Prävention dennoch wesentlich. Neben einer guten therapeutischen Versorgung ist auch ein stabiles soziales Umfeld ein wichtiger Faktor für die seelische Gesundheit. Kein Wunder also, dass gerade den Angehörigen psychisch erkrankter Menschen große Bedeutung zukommt.
Psychose: Was können Angehörige tun?
Zeigen sich bei einem nahestehenden Menschen psychotische Symptome, löst das oft Ängste aus und sorgt für Überforderung. Es gilt, sich mit der Erkrankung auseinanderzusetzen. Der Leidensdruck ist auch bei Angehörigen sehr hoch. Um die Krankheit akzeptieren zu können und sich ihr nicht ausgeliefert zu fühlen, sollten Angehörige unbedingt professionelle Unterstützungsangebote wie Beratung, Therapie oder Selbsthilfegruppen nutzen.
Oft führt auch die mangelnde Krankheitseinsicht der Betroffenen zu Konflikten und fordert den Angehörigen viel ab. Entscheidend ist, den betroffenen Menschen in seiner Ganzheit wahrzunehmen und nicht nur unter dem Krankheitsaspekt. Dabei muss dennoch berücksichtigen werden, dass man während eines psychotischen Schubs "anders funktioniert", da Wahrnehmung, Denken und Handeln beeinflusst sind.
Wichtig ist es, möglichst ruhig und gelassen zu bleiben. Ruhe- und Rückzugsbedürfnis sollten akzeptieren werden, dennoch sollte man präsent bleiben und bei Bedarf Hilfe oder Begleitung anbieten. Die Eigenverantwortung sollte Betroffenen nicht abgesprochen werden, was manchmal eine Gratwanderung darstellt. Geht von den Betroffenen eine Gefahr für sich oder andere aus, sollte man Hilfe verständigen. Das können behandelnde Ärzte*Ärztinnen sein, aber auch der sozialpsychiatrische Dienst, ein Krankenwagen oder bei Bedarf auch die Polizei.
Misstrauen, Ablehnung und Rückzug nicht persönlich zu nehmen, sondern als Symptom der Erkrankung zu sehen, ist ebenfalls nicht immer leicht. Wie bei allen psychischen Erkrankungen gilt auch hier: Um als Angehörige*r dauerhaft unterstützen zu können, ist es wichtig, selbst gesund zu bleiben – vor allem, was die eigene Belastbarkeit und persönliche Grenzen angeht.