Tinnitus
Tinnitus ist der medizinische Fachausdruck für Ohrgeräusche oder Ohrensausen. Fast 19 Millionen Menschen in Deutschland haben schon einmal einen Tinnitus erlebt, meistens und glücklicherweise nur vorübergehend. Oft wird ein Tinnitus als Pfeifen, Rauschen, Zischen oder Summen erlebt. Den unterschiedlichsten Geräuschen im Kopf oder in den Ohren ist eins gemein: Bis auf seltene Ausnahmen hört sie nur die betroffene Person selbst. Wie ein Tinnitus entsteht und was man dagegen tun kann, lesen Sie hier.
Tinnitus ist ein Symptom, keine Krankheit
Ohrgeräusche oder Ohrensausen sind ein Symptom, vergleichbar dem Schmerz oder Fieber. Ein Tinnitus ist auch ein Warnsignal, dass wir uns übernommen haben – im körperlichen oder im seelischen Bereich. Deshalb muss nicht vordringlich das Symptom Tinnitus behandelt werden, sondern es gilt: Ursachen beheben. Dies ist umso wichtiger, da ein Tinnitus in der Folge wiederum zu zahlreichen psychischen und körperlichen Beschwerden führen kann. Beispiele für diese Beschwerden sind Schlafprobleme, Konzentrationsstörungen, Angst und Depressionen oder Stress.
Ursachen und Risikofaktoren
Eine Reihe von Auslösern eines Tinnitus ist bekannt, einige weitere werden vermutet. Trotzdem sind die genaue Ursache oder der Auslöser bisher oft unklar. In diesem Fall spricht man von einem idiopathischen Tinnitus.
Geht man möglichen Ursachen auf den Grund, muss man zunächst zwischen einem objektiven und einem subjektiven Tinnitus unterscheiden. Ein objektiver Tinnitus kann auch von anderen Menschen gehört oder durch medizinische Messungen abgebildet werden. Der Tinnitus ist hierbei oft klickend oder pulsierend.
Mögliche Ursachen eines objektiven Tinnitus sind:
- Bewegungen der Muskulatur im Innenohr
- verengte Blutgefäße
- Erkrankungen der Herzklappe
- Blutarmut (Anämie)
Ein subjektiver Tinnitus kann nur von den Betroffenen selbst gehört werden. Er ist auch nicht durch medizinische Geräte messbar. Die möglichen Ursachen sind hierbei besonders vielfältig.
Unter anderem kommen in Frage:
- Entzündungen des Ohrs oder auch der Atemwege
- Lärmschäden (Knalltraumen oder ständige Lärmbelastung),
- Tauchunfälle
- organische Erkrankungen wie Autoimmunkrankheiten
- Tumoren des Hörnervs
- Nebenwirkungen von Medikamenten
- Probleme mit der Halswirbelsäule oder im Zahn-Kiefer-Bereich
Tinnitus ist zudem oft ein Begleitsymptom der mit Drehschwindel einhergehenden Menière-Krankheit und des Hörsturzes. Als Einfluss- und Risikofaktoren werden auch Alkohol, Nikotin, verschiedene Speisen und – vor allem – Stress diskutiert.
Diagnose und Behandlung von Tinnitus
Als Entstehungsmechanismus eines Tinnitus werden vor allem Durchblutungsstörungen im Innenohr verantwortlich gemacht; eventuell liegt auch eine ungünstige Signalverarbeitung im Gehirn zugrunde.
Ein länger anhaltender Tinnitus sollte ärztlich untersucht werden. Im Anschluss an ein Gespräch zur Krankheitsgeschichte (Anamnesegespräch) folgt meist eine körperliche Untersuchung. Bei dieser werden die Ohren, die Nasennebenhöhlen und der Rachen untersucht. Durch das Abhören des Blutflusses in Ohr und Halsschlagader kann eine mögliche Verengung der Gefäße ermittelt werden. Auch Hör- und Funktionsstests an Gehörknöchelchen und Hörnerv gehören zur Diagnose.
Je nach Ursache lässt sich ein Tinnitus gut behandeln. Häufiger werden jedoch gar keine direkten Auslöser gefunden. In beiden Fällen kann das Ohrgeräusch wieder völlig abklingen – spontan oder mit Hilfe einer Therapie.
Manchmal bleibt der Tinnitus allerdings bestehen – je länger der Tinnitus dauert, desto wahrscheinlicher wird dies. Ab drei Monaten spricht man von chronischem Tinnitus. Nach drei bis zwölf Monaten gibt es kaum Betroffene, bei denen der Tinnitus wieder verschwindet – das bedeutet, sie müssen lernen, damit zu leben.
Akuter Tinnitus
Wenn Ohrgeräusche oder Ohrensausen zum ersten Mal auftreten und nach einigen Stunden oder einer durchgeschlafenen Nacht nicht abgeklungen sind, sollte ärztlicher Rat gesucht werden. Bestehen weitere Symptome wie Hörverlust oder Schwindel gilt: sofort ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Je früher eine Behandlung einsetzt, desto besser sind die Chancen, dass der Tinnitus wieder verschwindet.
In den ersten drei Monaten ist die Chance auf Heilung am größten. Der*die Arzt*Ärztin wird – wenn keine organischen Ursachen vorliegen beziehungsweise diese ausreichend behandelt sind – in der Regel eine Infusionstherapie einleiten. Ziel ist es, die Durchblutung des Innenohres zu verbessern. Bei Beschwerden am Kiefer oder der Halswirbelsäule können auch physiotherapeutische Verfahren zeitnah eingeleitet werden. Bleibt diese Therapie ergebnislos, kommt möglicherweise eine stationäre Behandlung infrage.
In speziellen Kliniken können weitere mögliche Ursachen diagnostiziert und andere Therapieansätze wie beispielsweise die Druckkammertherapie, auch HBO-Therapie (hyperbare Sauerstofftherapie) genannt, angewendet werden. Diese soll die Sauerstoffversorgung in den Gefäßen des Innenohrs steigern. Eine weitere Methode ist die die Low-Level-Lasertherapie, früher auch Softlaser-Therapie genannt. Durch den Laserstrahl soll die Neubildung von Zellen im Innenohr angeregt werden. Ein wissenschaftlicher Beleg für die Wirksamkeit beider Verfahren bei Tinnitus fehlt jedoch bisher.
Eine Chance für viele Betroffene ist auch die Möglichkeit, fernab von Stress und Hektik des Alltags zur Ruhe zu kommen und sich auf sich selbst und ihre Gesundheit zu konzentrieren. Kliniken mit einem interdisziplinären, ganzheitlichen Therapiekonzept können verschiedene Gesundheitsstörungen und individuelle Risikofaktoren und damit tiefer liegende Ursachen des Tinnitus finden und behandeln.
Chronischer Tinnitus
Dauern die Geräusche im Ohr über drei Monate lang an, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie sich wieder verlieren. Dieser Zustand wird als chronischer Tinnitus bezeichnet. Dennoch können die Betroffenen weitgehend ein unbeschwertes und erfülltes Leben führen. Der Begriff "chronischer Tinnitus" besagt lediglich, dass andauernde oder ständig wiederkehrende Ohrgeräusche vorhanden sind. Er besagt nicht, dass die betroffene Person deswegen leiden muss oder krank ist.
Gleichwohl kann Tinnitus den Charakter einer Krankheit annehmen, wenn er zu einer schweren Belastung im täglichen Leben wird und wenn daraus weitere Beschwerden resultieren. Tinnitus wird dann zum Lärm der Seele.
Folgen des Tinnitus können zum Beispiel sein:
- Konzentrationsstörungen
- Einschlafstörungen
- Überempfindlichkeit bei lauten Geräuschen (Hyperakusis)
- depressive Phasen
- Einschränkung der sozialen Kontakte
- zeitweiser Verlust des Selbstvertrauens
Mit Tinnitus leben
Auch bei einem chronischen Tinnitus lässt sich einiges unternehmen. Es gilt, Resignation und Angst – oft auch aufgrund von mangelnden oder falschen Informationen – entgegenzutreten und zu lernen, mit dem Tinnitus zu leben. In den meisten Fällen wird ein Tinnitus erträglich: Aufklärung, Selbsthilfe und Selbsthilfegruppen lassen ihn in den Hintergrund treten.
Die Mehrzahl der Betroffenen schaffen es, das Ohrgeräusch zu akzeptieren, indem sie ihre Aufmerksamkeit ganz bewusst wichtigen Dingen oder anderen Geräuschen widmen. Man spricht dann von einem kompensierten Tinnitus. Manchmal benötigt dieser Lernprozess hin zu einen erträglichen Tinnitus Zeit, manche benötigen dazu auch therapeutische Hilfe. Dennoch: Viele Betroffene meistern es, mit ihrem Tinnitus zu leben.
Eine kognitive Verhaltenstherapie hat sich als wirksame Maßnahme erwiesen, um die Lebensqualität bei chronischem Tinnitus zu verbessern und depressive Verstimmungen zu mindern. Wichtig ist in jedem Fall, Stress nach Möglichkeit zu reduzieren, sich nicht zu isolieren und sich selbst möglichst viel Gutes zu tun.