Tamsulosin: Wirkung und Nebenwirkungen
Tamsulosin ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Alphablocker, auch bekannt als Alpha-Rezeptorenblocker. Es wird als eines der wichtigsten Mittel beim benignen Prostatasyndrom eingesetzt und trägt zur Symptomlinderung bei. Erfahren Sie hier mehr über die Wirkweise von Tamsulosin, wann man das Medikament am besten einnimmt und mit welchen Nebenwirkungen zu rechnen ist.
Wie wirkt Tamsulosin?
Tamsulosin ist ein Molekül, welches an den sogenannten α1-Rezeptor (auch Alpha-1-Rezeptor oder α1-Adrenozeptor) bindet und diesen blockiert. In unserem Körper gibt es viele solcher α1-Rezeptoren, zum Beispiel an der Blase. Über diese Rezeptoren werden glatte Muskelfasern gesteuert. Bindet beispielsweise der Botenstoff Noradrenalin an den α1-Rezeptor, ziehen sich die glatten Muskelzellen unserer Blase zusammen. Das Ergebnis: Wir können aufgrund des Widerstandes der Muskeln nicht Wasserlassen.
Tamsulosin blockiert nun den α1-Rezeptor, sodass Noradrenalin nicht mehr daran binden kann. Dadurch wird der umgekehrte Effekt erzielt. Die glatte Muskulatur im unteren Harntrakt entspannt sich und es fällt leichter, auf die Toilette zu gehen.
Wofür wird Tamsulosin eingesetzt?
Der Wirkstoff Tamsulosin wird bei dem benignen Prostatasyndrom (BPS) eingesetzt. Früher wurde dieses Krankheitsbild benigne Prostatahyperplasie (BPH) genannt. Heutzutage unterscheidet man jedoch mehrere Unterformen, die alle unter dem Begriff benignes Prostatasyndrom zusammengefasst sind. Die gutartige Vergrößerung der Prostata (benigne Prostatahyperplasie) fällt darunter, genauso wie die Miktionsbeschwerden (Blasenentleerungsstörungen), die man auch Lower urinary Tract Symptoms (LUTS) nennt.
Bei einer Größenzunahme der Vorsteherdrüse (Prostata), welche sich bei Männern direkt unterhalb der Harnblase befindet, wird die Harnröhre verengt. Betroffene haben oftmals Schwierigkeiten, die Blase gegen den hohen Widerstand komplett zu entleeren. Hier hilft Tamsulosin, da es den Blasenwiderstand senkt, indem es die entsprechenden Muskeln entspannt.
Wichtig ist dabei zu wissen, dass Tamsulosin zwar die Symptome lindert, aber nicht die Ursache behebt – es hat also keinen Einfluss auf die Prostatavergrößerung selbst. Hierfür gibt es eine andere Sorte von Medikamenten, wie zum Beispiel Finasterid.
Zugelassen ist Tamsulosin nur für Männer. Für Frauen konnten einige Studien zwar einen positiven Effekt bei Störungen der Blasenentleerung nachweisen, aber es gibt noch nicht genug Daten zur Sicherheit der Anwendung. Damit bleibt es zunächst nur als sogenanntes off-Label-Medikament für Frauen verfügbar. Das bedeutet, die Verordnung erfolgt in bestimmten Fällen auch ohne entsprechende Zulassung des Mittels für diesen Anwendungsfall.
Wie sollte Tamsulosin eingenommen werden?
Tamsulosin wird als Tablette oder Hartkapsel eingenommen. Beide Präparate liegen in einer sogenannten Retardform vor. Das bedeutet, dass der Wirkstoff gleichmäßig freigesetzt und über 24 Stunden im Körper verteilt wird – die Einnahme der Retardtabletten oder Retardkapseln erfolgt also einmal täglich. Tamsulosin wird über den Darm aufgenommen. Die Dosierung von Tamsulosin beträgt 0,4 mg.
Idealerweise nimmt man Tamsulosin morgens nach der ersten Mahlzeit. So kann man einen stets gleichen Wirkspiegel garantieren. Die Frage, ob die Einnahme von Tamsulosin morgens oder abends erfolgen soll, lässt sich allerdings pauschal nicht beantworten. Für die meisten Menschen empfiehlt sich eine Einnahme morgens nach dem Frühstück. Wer nachts arbeitet, kann aber auch von einer abendlichen Einnahme profitieren.
Bei der Einnahme von Tamsulosin sollte man beachten, dass es zu einem häufigeren Harndrang kommen kann. Trinkt man zusätzlich Kaffee oder Alkohol, kann dieser Drang noch verstärkt werden.
Der Wirkstoff ist sehr verbreitet und wird von vielen Pharmafirmen hergestellt, sodass die meisten Tabletten oder Hartkapseln einen Zusatznahmen der Firma aufweisen, wie beispielswiese Tamsulosin BASICS®, Tamsulosin Ocas® oder Tamsulosin Zentiva®. Der Wirkstoff ist bei allen Arzneimitteln der gleiche, ebenso die Dosierung von 0,4 mg.
Auf einigen Verpackungen findet man den Wirkstoff Tamsulosinhydrochlorid. Hierbei handelt es sich ebenfalls um Tamsulosin. Hydrochlorid ist lediglich ein Zusatzmolekül, welches man in vielen Arzneimitteln findet. Hydrochlorid sorgt für eine bessere Wasserlöslichkeit, was zu einer verbesserten Aufnahme der Wirkstoffe im Blut führt.
Welche Nebenwirkungen hat Tamsulosin?
Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören:
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- niedriger Blutdruck
- Palpitationen (das verstärkte, bewusste Wahrnehmen von Herzschlägen)
- Verstopfung
- Durchfall
Wie wirkt sich Tamsulosin auf die Potenz aus?
Tamsulosin hat in mehreren großen Studien eine gute Wirksamkeit und wenige Nebenwirkungen gezeigt. Als mögliche Nebenwirkung ist die sogenannte retrograde Ejakulation (rückwärtiger Samenerguss) beschrieben. Durch die relaxierten Muskelfasern an der Blase kann es vorkommen, dass ein Teil des Ejakulats in der Blase landet. Betroffene können Probleme bei der Ejakulation haben, zum Beispiel mit einer verspäteten oder gar ausbleibenden Ejakulation. Eine Impotenz als Nebenwirkung ist in der Literatur hingegen nicht beschrieben.
Eine sehr seltene Nebenwirkung ist eine durch Tamsulosin ausgelöste Dauererektion, auch Priapismus genannt. Diese Nebenwirkung tritt beispielsweise bei Medikamenten aus der Klasse der Phosphodiesterase-V-Hemmer, wie dem Sildenafil (Viagra®), deutlich häufiger auf.
Mit welchen Medikamenten kombiniert man Tamsulosin?
Je nach zugrundeliegender Erkrankung wird Tamsulosin auch mit anderen Wirkstoffen kombiniert, weshalb auch Arzneimittel mit entsprechenden Wirkstoffkombinationen erhältlich sind. Die häufigste Kombination zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms ist Tamsulosin mit Finasterid. Finasterid greift in den hormonellen Kreislauf ein und verhindert so einen zu starken Wachstumsreiz für die Prostata. Dutasterid stammt aus derselben Wirkstoffgruppe und wird ebenfalls häufig mit Tamsulosin kombiniert, um die Prostatavergrößerung zu reduzieren und zusätzlich den Harnfluss zu verbessern.
Finasterid und Dutasterid können allerdings zu einer Potenzstörung führen, weshalb eine andere mögliche Kombination Tamsulosin mit Tadalafil ist. Tadalafil gehört genauso wie Sildenafil (Viagra®) zur Gruppe der Phosphodiesterase-V-Hemmer. Diese wirken ebenfalls relaxierend auf die glatte Muskulatur der Blase, haben jedoch keinen Effekt auf die Prostatavergrößerung.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Tamsulosin wird über die Leber abgebaut. Medikamente, die in der Leber über dasselbe System verstoffwechselt werden, können zu Wechselwirkungen mit Tamsulosin führen. Zum Beispiel erhöht sich der Spiegel von Tamsulosin bei der gleichzeitigen Gabe des Antihistaminikums Cimetidin.
Dagegen haben die blutdrucksenkenden Medikamente Ramipril oder Amlodipin keine Auswirkung auf den Tamsulosin-Spiegel.
Gegenanzeigen: Wer sollte Tamsulosin nicht einnehmen?
Vorsicht ist bei Personen geboten, die zu einer orthostatischen Hypotonie neigen. Dies ist ein Krankheitsbild, bei dem es anfallsartig zu einem plötzlichen Blutdruckabfall kommt. Bei diesen Menschen ist Tamsulosin nicht geeignet, da niedriger Blutdruck zu den möglichen Nebenwirkungen zählt.
Tamsulosin darf auch bei Personen mit schwerer Leberinsuffizienz nicht gegeben werden.
Außerdem gab es in den letzten Jahren vermehrt Berichte, dass Tamsulosin zu dem sogenannten "Floppy-Iris-Syndrom" beitragen kann. Dies ist eine Komplikation bei der OP des grauen Stars (Katarakt). Aus diesem Grund wird für Menschen mit der Augenerkrankung empfohlen, Tamsulosin durch Alfuzosin zu ersetzen, da dieses keine Wirkung auf die Augenmuskeln zu haben scheint.
Wie lange kann man Tamsulosin einnehmen?
Tamsulosin wird anfangs erst einmal für vier Wochen eingenommen, um die Wirkung des Medikamentes zu beurteilen. Zeigt sich ein positiver Effekt, kann Tamsulosin ein Leben lang eingenommen werden. Die Studiendaten liefern genügend Hinweise, um eine Langzeiteinnahme als sicher einzustufen.
Kommt es nicht zur gewünschten Wirkung, sollte Tamsulosin nach Rücksprache mit dem*der behandelnden Arzt*Ärztin abgesetzt werden. Klingen die Beschwerden durch die Anwendung des Medikaments ab, sollte man dieses jedoch nicht eigenständig absetzen, da die Beschwerden ansonsten erneut auftreten können.
Alternativen zu Tamsulosin
Es existieren einige pflanzliche Alternativen zu Tamsulosin. Um die Wirksamkeit solcher Stoffe zu beurteilen, gibt es in Europa die HMPC (Committee on Herbal Medicinal Products). Die HMPC vergibt bei pflanzlichen Medikamenten, die seit mindestens zehn Jahren in Europa im Einsatz sind und bei denen es Studien gibt, die einen positiven Einfluss suggerieren, den Titel "well-established use".
In der Behandlung des benignen Prostatasyndroms existieren rezeptfreie Alternativen, die aus Sägepalmfrüchten, Kürbissamen oder Brennnesseln bestehen. Einzig für die Sägepalmfrüchte gibt es genug Daten, sodass die HMPC hier den Titel "well-established-use" vergeben hat. Sägepalmfrüchte sind zum Beispiel in dem Produkt Prostagutt® enthalten. Prostagutt® kann man auch gleichzeitig mit Tamsulosin einnehmen. Für einen genaueren Therapieplan sollte man sich an eine*n Expert*in aus dem Fach der Urologie wenden.
Weitere Alternativen sind beispielsweise die Wirkstoffe Alfuzosin oder Silodosin, die ebenfalls der Gruppe der Alphablocker angehören. Im Gegensatz zu Tamsulosin hat Alfuzosin allerdings eine stärkere Wirkung auf den Blutdruck, bei Silodosin kommt es hingegen häufiger zu unerwünschten sexuellen Nebenwirkungen.