Ischiassyndrom - Wenn Rückenschmerz ins Bein ausstrahlt
"Ich hab’s wieder mit dem Ischias" - wenn früher Tante Käthe wie üblich im Winter klagte, ahmte man hinter ihrem Rücken kichernd ihre schiefe Haltung nach. Jahrzehnte später taucht diese Kindheitserinnerung wieder auf, während beim Kistenschleppen ein plötzlicher Schmerz ins Bein zieht. "Ischias" ist zunächst einmal eine Kurzform für den Nervus ischiadicus, der längste und dickste Nerv des Menschen. Er entspringt beidseitig aus dem Plexus lumbosacralis, einem Nervengeflecht, das aus vielen Rückenmarksnerven in Höhe des Kreuzbeins gebildet wird. Der Ischias zieht am Gesäß und der Rückseite des Oberschenkels – dessen Beuger er versorgt – entlang zur Kniekehle, wo er sich in den Schienbein- und Wadennerv aufteilt und damit die Muskeln und Haut von Unterschenkel und Fuß versorgt. Nicht selten kommt es zu Störungen im Verlauf des Nervus ischiadicus, die zu typischen Schmerzen und Ausfällen führen können. Dies wird als Ischiassyndrom bezeichnet, im Volksmund abgekürzt ebenfalls als "Ischias".
Schmerzen beim Ischiassyndrom – diese Tipps helfen!
Wie entsteht ein Ischiassyndrom?
Mit Abstand die häufigste Ursache sind Störungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule. Die Knochenfortsätze an den Wirbelkörpern verbinden die benachbarten Wirbel beweglich miteinander. Dazwischen liegen Aussparungen, durch welche die Rückenmarksnerven heraustreten; diese Stellen werden auch als Nervenwurzel bezeichnet.
Kommt es zu Verschleißerscheinungen der Bandscheiben (wie bei einem Bandscheibenvorfall) und/oder der Wirbelkörper, können sich diese Zwischenwirbellöcher so verengen, dass die Nervenwurzeln dort gequetscht werden. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten ist der Bereich am Übergang von Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein besonders häufig betroffen, also dort, wo die Nervenwurzel des Ischiasnervs liegt. Besteht eine Verengung, können abrupte Bewegungen, Drehungen oder Heben einer schweren Last eine Beschwerdeattacke hervorrufen.
Weitere Auslöser für die Nervenreizung sind kühle Zugluft, insbesondere nach Durchnässung (z.B. wenn man mit einer feuchten Badehose auf einem kalten Stein sitzt) oder auch der Druck auf die Nervenfasern durch einen Tumor im kleinen Becken bzw. durch das Ungeborene während einer Schwangerschaft. Seltenere Ursachen sind Nervenentzündungen z.B. durch Infektionen wie die Gürtelrose, Schädigungen im Rahmen chronischer Krankheiten wie Diabetes mellitus und Rheuma oder Knochenverletzungen der Hüfte.
Welche Symptome hat man bei Ischias?
Typisch ist der Nervenschmerz (Ischialgie), der – im Gegensatz zum lokalen Rückenschmerz – im gesamten Verlauf des Ischiasnervs zu spüren ist, also von der Lendengegend ins Gesäß bis zur Außen- und Rückseite des betroffenen Beins und zum Fuß ausstrahlt. Häufig ist der Schmerz im Bein schlimmer als im Rücken. Er kann plötzlich "einschießen", wellenförmig an- und absteigen oder auch – meist ziehend – andauern. Infolge des Schmerzes an der Nervenaustrittsstelle verkrampfen die umliegenden Muskeln neben der Wirbelsäule, was die Schmerzen verstärkt und zu einer Schonhaltung, meist mit Seitwärtsverbiegung des Rumpfes führt.
Taubheitsgefühl und Kribbeln als weitere Symptome
Neben den Schmerzen kann es in durch die Nervenreizung in den betroffenen Versorgungsgebieten auch zu Informationsverlust und damit zu entsprechenden Ausfällen kommen: Taubheitsgefühle, Kribbeln wie Ameisenlaufen, erhöhte Empfindlichkeit und Brennen oder Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen.
Oft verstärken bestimmte Aktivitäten oder Körperhaltungen die Beschwerden: So wird durch das Vorbeugen mit gestreckten Beinen zu den Zehenspitzen bzw. das Anheben des gestreckten Beines in der Rückenlage der Ischiasnerv gedehnt und schmerzt dadurch stärker (Lasègue-Zeichen). Diese Phänomen macht sich der Arzt bei der Untersuchung zunutze. Auch Husten oder Niesen, Sitzen oder Stehen kann die Schmerzen verschlimmern, Gehen bessert sie dagegen häufig.
Folgende Symptome sprechen für einen operationsbedürftigen Notfall infolge einer Nervenquetschung (Kompression):
- Taubheitsgefühle zwischen den Beinen
- neue Störungen der Blasen- oder Mastdarmfunktion (Harnträufeln, Stuhlinkontinenz)
Sie sollten unverzüglich einen Facharzt aufsuchen!
Wie wird die Diagnose gestellt?
Häufig sind die Symptome und die Ausbreitung der Beschwerden sowie die Ergebnisse der körperlichen Untersuchung bereits so typisch, dass der Arzt die Diagnose leicht stellen kann. Allerdings lässt sich von der Stärke der Schmerzen und Ausprägung der Beschwerden nicht auf die Ursache schließen. Je nach Fall schließen sich weitere Untersuchungen an, z.B. Computer- oder Kernspintomografie.
Welche Therapie gibt es beim Ischiassyndrom?
Die Behandlungsmethoden sind nicht nur vielfältig, sondern werden teilweise auch unterschiedlich bewertet. Unbestritten ist dagegen, dass Betroffene Geduld benötigen. Der Heilungsprozess dauert trotz unterstützender Maßnahmen in der Regel mehrere Wochen bis Monate.
Das sind mögliche Behandlungsmethoden:
- Es stehen eine Reihe von Medikamenten zur Verfügung, die die Schmerzen lindern (Analgetika), die Nervenentzündung hemmen (Antiphlogistika, Kortikoide) und die Muskeln entspannen (Muskelrelxantien); daneben kommen lokale Einspritzungen an die Nervenwurzel zur Betäubung und Entzündungshemmung zum Einsatz.
- Begleitanwendungen: Oft wird eine Hochlagern der in Hüfte und Knie gebeugten Beine (Stufenbett) empfohlen. Allerdings weiß man mittlerweile, dass die Ruhigstellung zur Entspannung möglichst schnell durch leichte Bewegung abgelöst werden sollte. Ob Wärme- oder Kälteanwendungen gut tun, ist individuell verschieden.
- Physiotherapie, Chirotherapie: Diese kommen meist nach Abklingen der Akutbeschwerden zum Einsatz. Ziel insbesondere der Physiotherapie ist nicht nur, die Symptome zu lindern, sondern vor allem auch Strategien zu erlernen, um langfristig weiteren Attacken vorzubeugen (Muskelaufbau, Rückenschule).
- Operation: Besonders bei dieser Therapieoption scheiden sich die Geister. Die Tendenz heute ist, dass eine Operation entweder bei akuter Nervenquetschung durchgeführt wird oder aber wenn die Beschwerden nach mehreren Wochen konservativer Behandlung nicht besser oder schlimmer werden. Neben allgemeinen Operationsrisiken birgt eine Operation aber auch immer die Gefahr einer Narbenbildung, die die Beschwerden noch verschlimmern kann.
Worauf muss man achten?
Das individuelle Vorgehen muss mit dem behandelten Arzt abgestimmt werden. Wichtig ist, die verschriebenen Medikamente regelmäßig einzunehmen und damit die Schmerzen zu kontrollieren, anstatt zu warten, bis man es gar nicht mehr aushält (das verschlimmert die Symptomatik nur unnötig).
Normale Aktivitäten sind heilungsfördernd, tagelange Schonung ist eher kontraproduktiv. Kleine Rückschläge sind normal und sollten nicht entmutigen. Verstärken sich die Beschwerden allerdings kontinuierlich oder ist überhaupt keine Besserung festzustellen, ist ein erneuter Arztbesuch ratsam.
Wie sind Verlauf und Prognose?
Die meisten Ischiassyndrome heilen nach einigen Wochen ohne Restbeschwerden aus, nur bei wenigen Betroffenen kommt es zu Rückfällen oder ist eine Operation nötig. Hilfreich ist, den Lebensstil anzupassen und auf rückenfreundliches Verhalten zu achten. Viele Krankenkassen bieten entsprechende Schulungsprogramme an; auch der behandelnde Arzt oder Therapeut kann oft Kontaktadressen vermitteln.