Diabetes und Herz – Wenn der Stoffwechsel ans Herz geht
Mehr als die Hälfte aller Diabetiker stirbt an einem Herzinfarkt: Das allein zeigt schon, wie wichtig eine gute Herzfunktion im Zusammenhang mit Diabetes mellitus ist. Oft wird eine Herzschädigung aufgrund des Diabetes erst spät erkannt. Umgekehrt kommt es vor, dass eine Diabeteserkrankung erst erkannt wird, weil ein Patient seinen Arzt wegen Herzbeschwerden aufsucht. Lesen Sie hier, in welchem Zusammenhang Diabetes und das Herz stehen.
Was macht Diabetes im Körper?
Dass Diabetes eine zu hohe Blutzuckerkonzentration bedeutet, weiß fast jeder. Aber was genau passiert im Körper, wenn die Blutzuckerkonzentration dauerhaft zu hoch ist? Der hohe Zuckergehalt schädigt die Blutgefäße und führt dazu, dass das Blut schneller gerinnt: Die Anzahl der Blutplättchen (Thrombozyten) nimmt zu und die Mechanismen, die kleinste Blutgerinnsel auflösen und die Blutgerinnung hemmen, werden gestört. Man spricht von einer gestörten Fibrinolyse. Außerdem ist das Blut zähflüssiger und klebriger als normalerweise – der Fachmann sagt dazu: Die Blutviskosität ist erhöht.
Man kann sich gut vorstellen, dass sich dieses dicke, klebrige Blut leicht an kleinen Gefäßen anlagert und sie verstopft. Diese Durchblutungsstörungen steigern die Gefahr für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Dazu kommt auch, dass sich die Zusammensetzung des Blutes verändert – es werden mehr Fette aus den Körperzellen freigesetzt (Anstieg der Blutfettwerte) und die Konzentration der Elektrolyte (Natrium und Kalium) verschiebt sich.
Selbst in den Zellen wirkt sich der zu hohe Zuckergehalt aus: Viele Vorgänge wie die Herstellung von Proteinen, Aktivierung von Immunzellen oder die Ausschüttung von Hormonen werden auf molekularer Ebene gestört. All das macht den Diabetiker zusätzlich anfälliger für Infekte.
Diabetische Makroangiopathie
Diabetes führt zu einer sogenannten Makroangiopathie, das bedeutet, dass alle großen oder größeren Blutgefäße durch den Zuckergehalt in Mitleidenschaft gezogen werden: Arterienverstopfung und -verschluss sind die Folgen. Bei Diabetikern tritt Arteriosklerose bis zu zehn Jahre früher auf als bei Nichtdiabetikern. Im Bereich des Herzens führen die verstopften Arterien zur koronaren Herzkrankheit (KHK), Herzschmerzen (Angina pectoris) und im schlimmsten Fall zu einem Herzinfarkt.
Diabetiker haben eine deutlich schlechtere Prognose bei Herzinfarkt, Schlaganfall und Durchblutungsstörungen an den Extremitäten. Das kann man damit erklären, dass der hohe Blutzucker die Reparaturvorgänge des Körpers beeinträchtigt, sodass sich Diabetiker von einem solchen Ereignis deutlich schlechter erholen als Nichtdiabetiker.
Oft fehlt bei einem Diabetiker vor einem Infarkt auch eine Warnung in Form von Herzschmerzen oder es tritt ein sogenannter stummer Infarkt auf – ein Infarkt ohne Schmerzen.
Diabetische Neuropathie
Bei vielen Diabetikern ist das Schmerzempfinden eingeschränkt, weil der hohe Blutzuckergehalt neben den Gefäßen auch die Nerven schädigt – die diabetische Neuropathie ist die Folge. Wenn viele Nerven betroffen sind, spricht man auch von diabetischer Polyneuropathie.
Oft treten strumpfförmige Missempfindungen an den Füßen und Unterschenkeln auf: Kribbeln, Gefühlsstörungen und ein zunehmendes taubes Gefühl sind die häufigsten Symptome. Auf Dauer kann dies dazu führen, dass Verletzungen an den Füßen nicht bemerkt werden und sich entzünden – man spricht dann von einem diabetischen Fuß.
Neuropathie stört die Herzfrequenz
Leider werden aber nicht nur die Nerven an den Füßen geschädigt, sondern auch die Nervenfasern von Sympathikus und Parasympathikus, die das autonome Nervensystem bilden. Sie beeinflussen am Herzen Herzschlag, Blutdruck und das Blutvolumen, das pro Minute durch das Herz gepumpt wird.
Normalerweise kann sich das Herz so an alle möglichen Situationen anpassen: Wenn wir Sport treiben, schlägt es schneller und es wird mehr Blut durchgepumpt – wenn wir schlafen, sinkt die Herzfrequenz ab. Doch sobald das autonome Nervensystem ausfällt, kann sich das Herz nicht mehr auf die Erfordernisse des Alltags einstellen.
Diabetes führt häufig zur sogenannten autonomen Neuropathie, das heißt, dass vor allem autonome Nerven beschädigt sind. Diese regulieren die unbewussten Körperabläufe. Die Folge kann sein, dass das Herz auch in Ruhe relativ schnell schlägt (Ruhetachykardie, Herzrasen) und dass sich die Herzfrequenz nicht mehr an die benötigte Beanspruchung anpasst. Auch der Blutdruck, der sich sonst je nach Körperlage ändert, passt sich nicht mehr ans Sitzen, Stehen oder Liegen an (Orthostase). Das Risiko für Vorhofflimmern ist erhöht, manche Betroffene leiden auch an Herzstolpern und starkem Schwitzen.
Frauen mit Diabetes häufiger von Herzinsuffizienz betroffen
Je schlechter der Blutzucker eingestellt ist, desto höher ist das Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch das Geschlecht kann dabei eine Rolle spielen. Insbesondere bei Typ-1-Diabetes (aber auch bei Typ-2-Diabetes) sind laut einer Studie Frauen häufiger als Männer von Herzinsuffizienz (Herzschwäche) betroffen. Dabei haben Betroffene einen unregelmäßigen Puls, bekommen nachts schlecht Luft oder verspüren bei Anstrengungen wie Treppensteigen leicht Atemnot.
Andere Untersuchungen haben ergeben, dass bei Frauen mit Diabetes auch das Risiko für einen Schlaganfall oder die koronare Herzkrankheit erhöht ist.
Auch das Alter zum Zeitpunkt der Entstehung des Diabetes spielt eine entscheidende Rolle. Je früher man an Typ-2-Diabetes erkrankt, desto wahrscheinlicher ist die Entstehung von Herzproblemen, wie eine Studie ergab.
Wie erkennt man eine Herzbeteiligung?
Gerade die Kombination von eingeschränktem Schmerzempfinden und einem Herzen, das sich nicht vom Nervensystem beeinflussen lässt, kann bei Arteriosklerose und verengten Herzkranzgefäßen dazu führen, dass ein diabetisches Herz zu stark beansprucht wird. Normalerweise würden Herzschmerzen auftreten, man würde die beanspruchende Tätigkeit abbrechen – eine Herzschädigung wird vermieden.
Beim Diabetiker treten aber keine Schmerzen auf und es tritt schlimmstenfalls ein stummer Herzinfarkt auf, der sich durch keinerlei Warnzeichen ankündigt.
Wie diagnostiziert man eine Herzbeteiligung bei Diabetes?
Eine Erhöhung der Herzfrequenz in Ruhe erkennt man bereits beim Pulsmessen. Die einmalige Messung der Herzfrequenz ist jedoch nicht besonders aussagekräftig, denn viele Menschen sind beim Arztbesuch aufgeregt. Deshalb wird mit einem EKG und vor allem einem Langzeit-EKG geprüft, inwieweit sich die Herzfrequenz in Ruhephasen absenkt.
Mit einem Belastungs-EKG wird untersucht, inwieweit sich die Herzfrequenz und die Aktivität des Herzens unter einer definierten Belastung (meistens Fahrradfahren auf einem Ergometer) verändert und ob sich im EKG Veränderungen der Herzfrequenz und der Durchblutungssituation zeigen.
Bei auffälligem Befund kann mit einer Herzkatheter-Untersuchung genau abgeklärt werden, ob und in welchem Ausmaß eine Arterienverkalkung der Herzkranzgefäße vorliegt.
Herzprobleme bei Diabetes: Was kann der Arzt tun?
Sobald beim Ihnen eine Herzschädigung diagnostiziert wird, ist neben einer möglichst guten Blutzuckereinstellung besonders wichtig, das Herz medikamentös zu schützen. Dabei werden Betablocker eingesetzt, um die Herzfrequenz herabzusetzen, sowie ACE-Hemmer, um den Blutdruck zu normalisieren und das Herz so bei seiner Arbeit zu unterstützen. Gerinnungshemmer wie niedrig dosierte Acetylsalicylsäure verhindern, dass sich kleinste Blutgerinnsel bilden und die Arterien verstopfen.
Was kann man selbst tun, um sein eigenes Risiko zu senken?
Jeder sollte bemüht sein, die Risikofaktoren zu vermeiden, die zu Diabetes führen können. Besonders Übergewicht spielt eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Diabetes. Es führt dazu, dass die Körperorgane immer mehr Insulin fordern, bis sie Blutzucker in die Zellen hineinlassen. Sie werden sozusagen resistent gegen Insulin. Aus dieser Insulinresistenz entwickelt sich nach und nach die häufigste Diabetesform, der Typ-2-Diabetes, der verharmlosend auch Altersdiabetes genannt wird.
Diese schmerzlosen Erkrankungen – Übergewicht und Insulinresistenz – werden zusammen mit Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen das "Tödliche Quartett" genannt – ihre Tücke liegt darin, dass man sie als Betroffener oft nicht bemerkt oder durch den fehlenden akuten Leidensdruck (keine Schmerzen, keine akute Einschränkung der Lebensqualität) nicht gewillt ist, konsequent etwas gegen die Erkrankung zu tun. So ist es gar nicht so selten, dass ein Typ-2-Diabetes erst nach mehreren Jahren diagnostiziert wird.
Herzproblemen und Diabetes vorbeugen
Neben einer Steigerung der körperlichen Aktivität, einem Verzicht auf Nikotin und Alkohol sind eine gesunde Ernährung und eine reduzierte Zufuhr von Kochsalz Möglichkeiten, sich zu schützen – und die allgemeine Lebensqualität zu erhöhen.
Wenn Sie an Diabetes erkrankt sind, sollten Sie mindestens einmal jährlich von Ihrem Hausarzt mit einem EKG und Belastungs-EKG kontrollieren lassen, wie es um Ihr Herz bestellt ist – denn möglicherweise ist Ihr Herz nicht in der Lage, durch Beschwerden auf sich aufmerksam zu machen. Achten Sie insbesondere darauf, die Blutzuckerwerte, den Blutdruck und die Cholesterinwerte zu verbessern, um das Risiko von Herzproblemen oder einem Schlaganfall zu reduzieren.