Migräne: Ursachen, Anzeichen & was hilft?
Pochende, einseitige Kopfschmerzen, Übelkeit und das Gefühl, dass man weder Geräusche noch Licht ertragen kann. So kann sich eine Migräneattacke anfühlen. Migräne ist ein sehr häufiges Krankheitsbild. Ungefähr 15 Prozent aller Menschen in Deutschland sind mindestens einmal im Jahr betroffen. In den letzten Jahren gab es einige neue Erkenntnisse zur Entstehung von Migräne und damit auch neue Therapieansätze und Medikamente. Was ist Migräne und was tun bei einem Migräneanfall? Wir informieren über mögliche Ursachen und geben Tipps rund um Tabletten, Hausmittel, spezielle Piercings und weitere Mittel gegen Migräne.
Was ist Migräne?
Migräne sind anfallsartige, heftige und einseitige pochende Kopfschmerzen, die in unregelmäßigen Abständen auftreten können und oftmals mit weiteren Beschwerden wie Lichtempfindlichkeit oder Übelkeit einhergehen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Doch warum bekommen Menschen scheinbar aus dem Nichts Migräneattacken?
Was passiert bei Migräne?
Lange Zeit wusste man nicht genau, was sich dabei im Kopf der Menschen abspielt. Mittlerweile gibt es einige gut etablierte Theorien, die durch mehrere Studien belegt wurden. Kurzgesagt geht man davon aus, dass durch bestimmte Trigger (zum Beispiel Schlafmangel) eine übermäßig starke Reaktion zwischen Nervenzellen und Blutgefäßen entsteht. Diese Reaktion wird auch als "neuro-vaskuläre-Entzündung" bezeichnet.
Insbesondere im Bereich des Nervus trigeminus (Trigeminusnerv), einem Nerv, der einen Großteil unseres Gesichts versorgt, kommt es zur vermehrten Ausschüttung von Botenstoffen (Neurotransmittern) an den Nervenenden. Diese Nervenenden sitzen an den Blutgefäßen. Durch die hohe Anzahl an Botenstoffen kommt es zu einer Entzündung in den Blutgefäßen, die sich daraufhin zunächst verengen. Weniger Blut kommt nun in bestimmten Hirnarealen an und Betroffene können in diesem Stadium bereits Vorboten (sogenannte Prodromi), oder eine Aura verspüren. Diese Vorboten können bis zu zwei Tage vor der eigentlichen Migräneattacke auftreten.
Im Verlauf werden weitere Neurotransmitter, wie das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), freigesetzt. CGRP und andere Neurotransmitter führen dazu, dass sich die verengten Blutgefäße im Kopf wieder aufweiten. Nun ist allerdings die Gefäßwand durch die übermäßige Anzahl an Neurotransmittern entzündet. Der Blutdruck wird hochgefahren und mit jedem Herzschlag wird das Blut gegen die entzündete Gefäßwand gedrückt, wodurch die typischen, pulsierenden Schmerzen entstehen.
Sonderformen der Migräne
Es können unterschiedliche Hirnareale bei einer Migräne betroffen sein. Dadurch ergeben sich neben der klassischen Migräne einige Sonderformen. Bei einigen Migräneformen gilt als gesichert, dass eine genetische Veranlagung Ursache der Migränekopfschmerzen sein kann, die wiederum meist durch bestimmte Trigger ausgelöst werden. Folgende Formen werden unterschieden:
Vestibuläre Migräne
Die vestibuläre Migräne bezieht sich auf unser Gleichgewichtsorgan. Sie ist eine der häufigsten Ursachen für Schwindel bei Personen im mittleren Lebensalter. Diese Attacken können auch ohne Kopfschmerzen auftreten. Dann handelt es sich um reine Schwindelattacken, die genau wie bei der klassischen Migräne vier bis 72 Stunden anhalten.
Migraine Ophthalmique – "Augenmigräne"
Migraine Ophthalmique ist ein veralteter Begriff. Heutzutage nennt man diese Form Migräne mit kortikaler Symptomatik. Betroffen ist hier oft die Sehrinde, weshalb mitunter auch der Begriff "Augenmigräne" verwendet wird. Die Arteria cerebri posterior (hintere Hirnarterie) versorgt den hinteren Teil unseres Gehirns, der für das Sehen zuständig ist. Treten in diesem Bereich Migräneattacken auf, kann es zu Beeinträchtigungen beim Sehen, wie Gesichtsfeldausfällen, kommen.
Chronische Migräne
Halten die Kopfschmerzen mehr als 3 Monate an, wobei an mindestens 15 Tagen pro Monat Kopfschmerzen vorhanden sein müssen, spricht man von einer chronischen Migräne.
Migräne mit Aura
Bei dieser Sonderform treten anfallsartig neurologische Störungen auf. Dies können Seh- oder Sprachstörungen sein. Lesen Sie mehr in unserem Artikel über Migräne mit Aura.
Migräne ohne Aura
Diese Migräneform tritt ohne Vorankündigung auf. Hier sind häufiger Frauen betroffen, da eine Migräne ohne Aura zusammen mit der Regelblutung auftreten kann.
Ophthalmoplegische Migräne
Ophthalmoplegisch bedeutet übersetzt ungefähr so viel wie "Lähmung der Augenmuskulatur". Diese Form der Migräne tritt häufiger bei Kindern auf. Bei Anfällen kann es, neben den Kopfschmerzen, zu einer Lähmung von Hirnnerven kommen. Am häufigsten betroffen ist der dritte Hirnnerv, der Nervus oculomotorius, der für vier der sechs äußeren Augenmuskeln zuständig ist. In der Folge kann es zu Sehstörungen kommen, etwa dem Sehen von Doppelbildern.
Erste Anzeichen: Wie fängt eine Migräne an?
Bereits zwei Tage vor Beginn einer Migräne können sich erste Anzeichen bemerkbar machen. Die Vorboten variieren von Person zu Person und können sein:
- vermehrtes Gähnen
- Stimmungsschwankungen
- vermehrter Drang, auf die Toilette zu gehen
- Schwierigkeiten beim Lesen oder Schreiben
- Heißhunger oder Appetitlosigkeit
Was sind Symptome bei einer Migräneattacke?
In der Akutphase der Migräne können unterschiedliche Symptome auftreten. Zu den typischen Symptomen gehören:
- einseitige Kopfschmerzen mit einem pulsierenden, stechenden Charakter
- Übelkeit und Erbrechen
- Schwindel
- Lichtscheu (Photophobie)
- Überempfindlichkeit gegen Geräusche (Phonophobie)
- Geruchsempfindlichkeit
- leichtes Augentränen
Die Symptome werden in der Regel bei körperlicher Anstrengung schlimmer.
Nachwirkungen nach der Migräne können sein, dass Betroffene eher etwas schlapp und müde sind. Häufige Anfälle beeinträchtigen die Lebensqualität, gehen oft mit Angst vor weiteren Migräneattacken einher und führen zu Fehltagen im Beruf.
Auslöser einer Migräne: Stress, Wetter und andere Ursachen
Es gibt die unterschiedlichsten Auslöser für Migräneanfälle. Einige davon sind paradox, da sie einen Migräneanfall sowohl auslösen als auch stoppen können. Kaffee und Schokolade sind hier als Beispiele zu nennen. Beide können bei übermäßigem Verzehr eine Migräneattacke triggern, gleichzeitig hilft einigen Menschen Kaffee, wenn sie ihn in der frühen Prodomiphase trinken. Dann kann Kaffee sogar eine Migräne verhindern. Zudem kann der Heißhunger auf Schokolade auch ein Vorbote sein, ohne dass die Süßigkeit selbst die Ursache der pochenden Kopfschmerzen ist.
Weitere Auslöser für Migräne können sein:
- zu wenig Schlaf
- Stress
- Zitrusfrüchte
- Alkohol (zum Beispiel Rotwein)
- gereifter Käse
- gepökelte Wurst
- Nikotin
- Wetterwechsel
- Kälte
- Hormonveränderungen (zum Beispiel der Menstruationszyklus)
Viele der Lebensmittel, die Migräneattacken triggern können, enthalten die Aminosäure Tyramin. Diese wird als möglicher Auslöser vermutet. Welche Trigger letztlich den Migränekopfschmerz auslösen, kann ganz individuell sein. Es kann daher helfen, ein Migräne-Tagebuch zu führen, um mögliche Auslöser (ebenso wie Vorboten) zu ermitteln.
Wie lange dauert eine Migräne an?
Ohne die Einnahme von Medikamenten hält eine Migräneattacke laut Definition zwischen vier und 72 Stunden an. Die Dauer kann durch die Einnahme von Medikamenten verkürzt werden.
Die erste Migräneattacke tritt üblicherweise zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr auf. Es kann aber auch deutlich später im Leben zu einer Entwicklung einer Migräne kommen. Hier sollten aber auch andere Ursachen ausgeschlossen werden, zum Beispiel andere Arten von Kopfschmerzen.
Migräne ist grundsätzlich eine lebenslang andauernde Erkrankung. Schwerpunktmäßig treten die Anfälle aber vor allem zwischen dem 25. und dem 45. Lebensjahr auf. Bei Frauen können außerdem die Wechseljahre sowohl zu einer Verbesserung als auch zu einer Verschlimmerung der Beschwerden führen.
Diagnose und Abgrenzung von anderen Erkrankungen
Migräne ist eine von vielen Kopfschmerzarten. Spannungskopfschmerz, Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch oder Cluster-Kopfschmerz sind daher mögliche Differentialdiagnosen. Migräne ist aus diesem Grund streng definiert. In einem Arzt-Patienten-Gespräch können Ärzte*Ärztinnen genauer nach den Beschwerden fragen und stellen dann aufgrund der typischen Symptome die Diagnose.
Medikamentöse Therapie: Was tun bei Migräne?
Heutzutage existiert eine Reihe von Mitteln gegen die Migräne. Es gibt Medikamente sowohl für die Akutphase während einer Migräneattacke als auch für deren Prävention. Neben der medikamentösen Behandlung sind auch andere, alternative Verfahren, wie die Akkupunktur, hilfreich bei der Migräne.
Akute Medikation: Was hilft sofort bei einer Migräneattacke?
Wer schon einmal einen Migräneanfall hatte, kennt wahrscheinlich das Gefühl. Man möchte unbedingt, dass die Schmerzen aufhören. In dieser Situation helfen am besten Schmerzmittel vom Typ der Nicht-Steroidalen Antirheumatika (NSAR). Hier gibt es unterschiedliche rezeptfreie Tabletten, die je nach Stärke der Attacke eingenommen werden können:
- ASS (Aspirin®)
- Paracetamol
- Thomapyrin®: Bei diesem Kombinationspräparat sind ASS, Paracetamol und Koffein gemischt
- Dolormin®: Hinter diesem Handelsprodukt versteckt sich schnell wirksames Ibuprofen als Wirkstoff
Wichtig ist, dass diese Medikamente möglichst schnell und in ausreichender Dosierung eingenommen werden – teils kann bereits eine Einnahme in der Vorboten-Phase das Auftreten der Schmerzattacken verhindern. Die richtige Dosierung sollte mit dem*der behandelnden Arzt*Ärztin abgestimmt werden. Ist die Einnahme von Tabletten nicht möglich, kann im Krankenhaus auch die Gabe von ASS über die Vene erfolgen.
Sind die Migräneattacken sehr stark, sodass die alleinige Einnahme von NSAR nicht mehr hilft, kommen Triptane zum Einsatz. Diese Medikamente sind sogenannte Serotonin-Rezeptor Antagonisten. Ihre Wirkung beruht darauf, dass sie die Entzündung in den Blutgefäßen verringern. Triptane gibt es als Tabletten, aber auch als Spritze oder als Nasenspray.
Dauerhafte Medikation zur Vorbeugung gegen neue Attacken
Bei mehr als drei Attacken pro Monat oder bei Migräneanfällen, die länger als 72 Stunden anhalten, kann man versuchen, mit Medikamenten weiteren Attacken vorzubeugen. Standardmäßig werden Betablocker verschrieben, die man eigentlich aus der Herzmedikation kennt, da sie die Herzfrequenz senken. Aber auch Topiramat, was normalerweise in der Therapie der Epilepsie eingesetzt wird, oder Amitriptylin als Antidepressivum haben in Studien ihren Nutzen gezeigt.
Seit 2018 ist eine neue Gruppe von Medikamenten zugelassen. Die CGRP-Antikörper sind spezifisch für die Vorbeugung von Migräne entwickelt, da sie als erstes Medikament die Ursache der Migräne angehen. CGRP-Antikörper sind derzeit noch Patient*innen vorbehalten, die zuvor alle Therapien ohne Nutzen abgeschlossen haben. Man gibt diese Medikamente als Spritze unter die Haut.
Bei Migräneattacken in der Schwangerschaft sollten Sie Rücksprache mit Ihrem*Ihrer Arzt*Ärztin halten, da viele der Medikamente Wechselwirkungen haben, die man in der Schwangerschaft berücksichtigen muss.
Botox® gegen Migräne
In einigen Ausnahmefällen kann die Injektion des Nervengiftes Botulinumtoxin A (bekannt unter dem Namen Botox®) zu einer Reduktion der Migräne-Symptomatik führen. Hierfür werden in mehreren Sitzungen, nach einem standardisierten Protokoll, kleine Depots von Botox® in einem definierten Bereich der Hals- und Nackenmuskulatur eingebracht. Bei chronischer Migräne soll so durch die Lähmung bestimmter Muskeln die Freisetzung des Botenstoffs Acetylcholin verhindern werden. Durch diese Behandlung soll die Anzahl der Migräneanfälle reduziert werden.
Welche Mittel und Hausmittel helfen noch bei Migräne?
Neben den gut etablierten Schmerzmedikamenten gibt es sehr wenige Alternativen. Pestwurz hat zwar in zwei Studien eine gewisse Wirksamkeit bewiesen, allerdings weist Pestwurz auch einige Nebenwirkungen, wie Leberschäden, auf.
Als Vorbeugung gegen die Migräne empfiehlt sich Ausdauersport, am besten drei Mal pro Woche. Hier konnten mehrere Studien den Nutzen wissenschaftlich belegen. Ebenso kann Akupunktur einigen Menschen helfen, auch als zusätzlicher Baustein einer medikamentösen Therapie.
Auch die Ernährung kann bei der Migräneprophylaxe eine Rolle spielen, insbesondere wenn bestimmte Lebensmittel zu den persönlichen Triggerfaktoren gehören. Weitere Informationen erhalten Sie in unserem Artikel über Ernährung bei Migräne.
Daith Piercings – was steckt dahinter?
Sogenannte Daith Piercings sind spezielle Piercings im Ohr, die durch die fast waagerecht verlaufende Auswölbung in der Ohrmuschel gestochen werden. Im Internet findet man immer wieder die Behauptung, dass mit dem Piercing Migräneattacken gelindert werden. Aus wissenschaftlicher Sicht kann eine solche Wirkung nicht belegt werden. Der angebliche Zusammenhang zwischen dem Triggerpunkt am Ohr, dem Piercing und der damit einhergehenden Schmerzreduktion lässt sich einerseits aus medizinischer Sicht nicht logisch erklären und andererseits wissenschaftlich in Studien nicht nachweisen. Ohrpiercings gehören zur Mode, eignen sich aber nicht zur Behandlung von Migräne.