Ritzen als Selbstverletzung
Schätzungsweise sind in Deutschland mehr als 800.000 Menschen von selbstverletzendem Verhalten (SVV), auch Autoaggression genannt, betroffen. Experten zufolge ist die Dunkelziffer ebenfalls hoch. Ritzen zählt neben Ausreißen von Haaren, Kopfschlagen, Verbrennen, Beißen oder Nadeln zu einer der Möglichkeiten von Selbstverletzung bei selbstverletzendem Verhalten. Mit Rasierklingen, Messern, Scherben oder Scheren wird die eigene Haut geritzt.
Selbstverletzung: Ritzen als SVV
Empirischen Studien zufolge befinden sich die meisten Menschen, die sich als Art der Selbstverletzung ritzen, im Alter von 14 bis 20 Jahren. Ritzen ist nicht geschlechterspezifisch, jedoch sind mehr Fälle unter Mädchen als unter Jungs bekannt.
Die Auslöser von Autoaggression sind vielfältig. Wut, Trauer, seelischer Schmerz können dazu führen, sich selbstverletzen zu wollen. Autoaggression ist aber auch häufig als Begleiterscheinung von weiteren psychischen Erkrankungen festzustellen: Borderline-Syndrom, Bulimie sowie Magersucht, Depression, Traumatisierung oder auch Missbrauch.
Eine typische Reaktion von Außenstehenden über Betroffene, die sich ritzen, ist meist die Frage danach, wie man sich so etwas nur antun kann. Auch wird häufig vermutet, dass Ritzen nicht nur als eine Selbstverletzung sondern auch als Versuch von Selbstmord zu werten sei. Psychologen und Experten weisen darauf hin, dass Ritzen nicht unbedingt einen Selbstmord zum Ziel hat. Vielmehr haben die Betroffenen das dringende Bedürfnis Stress abzubauen und aufgebauten inneren Druck loszuwerden. Viele Betroffene berichten davon, dass Ritzen sie geradezu erleichtere.
Sich selbst fühlen durch Autoaggression
Aber auch der dringende Wunsch sich selbst zu spüren und seinen eigenen Körper wahrzunehmen, kann sich hinter dem selbstverletzenden Verhalten Ritzen verbergen. Demnach besagen Erfahrungsberichte, dass viele der Autoaggressiven eine innere Leere fühlen, ihr Körper ist für sie nur eine Hülle ohne jegliche Emotionen. Durch Ritzen als Form der Selbstverletzung haben sie das Empfinden sich wieder selbst zu spüren.
Ein weiterer Grund kann für den betroffenen Jugendlichen das Umleiten eines seelischen Schmerzes in körperliche Schmerzen sein, auch dies ist eine mögliche Form von Druckabbau. Häufig spielt außerdem eine große Wut und Aggression auf sich selbst eine entscheidende Rolle für selbstverletzendes Handeln. Beim Ritzen wird innere Wut nicht durch Aggression auf Mitmenschen oder Gegenstände projiziert, sondern auf sich selbst.
Im Grunde werden durch Ritzen seelische Schmerzen mit körperlichen Schmerzen überdeckt. Das Fatale am Ritzen: Es kann zu einer Art Sucht werden. Das Bedürfnis sich selbst zu spüren, Stress oder Druck abzulassen kann mit jeder neuen Selbstverletzung zu einem weiteren und intensiveren Bedürfnis nach dem Ritzen führen.
Selbstverletzendes Verhalten behandeln
Ritzen ist keinesfalls eine Modeerscheinung, sondern eine ernsthafte Erkrankung. Selbstverletzendes Verhalten (SVV) jeglicher Art ist gefährlich für die eigene Gesundheit sowie für die Psyche. Therapeutische Maßnahmen wie etwa eine Verhaltenstherapie, Trauma-Bewältigung oder einer psychoanalytischen Gesprächstherapie werden bei Autoaggressionen dringend empfohlen.
Hilfe können Beratungsstellen oder Psychotherapeuten geben, im Notfall sollte die Ambulanz einer psychiatrischen oder auch psychosomatischen Klinik aufgesucht werden. Denn Ritzen kann immer eine große Gefahr für die Gesundheit darstellen und möglicherweise sogar dazu führen, dass ein Betroffener verblutet.
Wer bei Jugendlichen vermutet, dass sie sich ritzen, sollte keinesfalls wegschauen. Wichtig ist es, in diesen Situationen das Vertrauensverhältnis aufzubauen. Auch wenn Eltern häufig zunächst über das Verhalten ihres Kindes geschockt sind, sollte eine vorwurfsvolle Reaktion auf die Selbstverletzung vermieden werden. Umso früher die Therapie ansetzt, umso besser stehen die Chancen das Problem der Autoaggression in den Griff zu bekommen.
Ritzen als Gefahr für die Gesundheit
Viele Jugendliche, die sich regelmäßig ritzen, blenden mögliche Gefahren der eigenen Gesundheit durch die Selbstverletzung aus. Viele Begleiterscheinungen vom Ritzen werden sogar von den betroffenen Jugendlichen als „normal“ eingestuft, so etwa Kreislaufbeschwerden. Tiefe Schnitte können deutliche Narben auf der Haut hinterlassen. Aus diesem Grund werden von den Autoaggressiven gerne Körperstellen zum Ritzen gewählt, die durch Kleidung nach außen verdeckt werden können. Arme, Beine, Schultern, Oberschenkel oder der Bauch sind die Körperstellen, die beim Ritzen am häufigsten betroffen sind.
Je nach Schnitt können auch Muskeln werden oder sogar größere Blutgefäße verletzt werden, letzteres kann die Gefahr einer möglichen Verblutung mit sich bringen. Durch mangelnde Hygiene beim Schneiden, wie etwa verschmutzten Scherben oder einem dreckigen Messer, können zudem auch Keime in die Wunde gelangen, die wiederrum zu Entzündungen als Folge der Selbstverletzung führen können.