Kieselsäure: Wirkung und Anwendung der Silizium-Verbindung
Im Zusammenhang mit Kieselsäure beziehungsweise Kieselerde wird häufig behauptet, dass sie wahre Wundermittel für die Gesundheit von Haaren, Nägeln und Haut seien. Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln mit Kieselsäure versprechen durch die Einnahme ihrer Präparate glänzendes, kräftiges Haar, starke, nicht brüchige Nägel und ein gefestigtes Bindegewebe. Doch können diese Versprechen gehalten werden? In diesem Artikel erfahren Sie, was Kieselsäure genau ist, welche Anwendungen es für sie gibt und was Sie über die Wirkung von Kieselsäure wissen sollten.
Was ist Kieselsäure?
Kieselsäure ist eine Verbindung aus dem Mineralstoff Silizium (auch "Silicium") und Sauerstoff. In der Natur kommt Kieselerde selten in Reinform vor, sondern ist mit anderen Mineralstoffen vermischt. Meist enthält sie geringe Mengen an Eisen, Calcium, Magnesium, Phosphor und Aluminium.
Daneben gibt es noch weitere Formen der Kieselsäure:
- Kieselerde (Siliziumdioxid): Die Begriffe Kieselsäure und Kieselerde werden im allgemeinen Sprachgebrauch oftmals gleichwertig verwendet. Beide Stoffe unterscheiden sich chemisch jedoch leicht. Kieselerde wird zum Beispiel aus sedimentierten Kieselalgenschalen gewonnen und liegt in der Natur auch als kristallines Mineral, genauer in Form von Quarz, vor.
- Kieselgel (Silica-Gel): Diese spezielle Form der Kieselsäure ist elastisch bis fest. Sie kann Feuchtigkeit binden und wird deshalb beispielsweise als Trockenmittel bei feuchtigkeitsempfindlichen Waren eingesetzt.
- Silikat: Beim Silikat handelt es sich um das Salz der Kieselsäure.
Industriell findet kristallines Siliziumdioxid in unterschiedlichen Bereichen Verwendung. Hier ein Auszug:
- in Kunststoffen und Klebstoffen zur Verdickung
- in Farben und Lacken als Korrosionsschutz und zur Verbesserung der Kratzfestigkeit
- in Dämmmaterialien
- als Zusätze für Reifen, Schuhsohlen und andere Gummiartikel
- in Medikamenten und Kosmetik, unter anderem zur Verbesserung des Freisetzverhaltens von Tabletten und Kapseln
Ist Kieselgel giftig?
Ob in einem Schuhkarton, der Verpackung eines Elektronikgeräts oder einem Corona-Schnelltest: Wir begegnen Kieselgel-Päckchen häufig im Alltag.
Der Warnhinweis "Nicht essbar!" auf den Verpackungen der Gel-Kügelchen lässt vermuten, dass die Einnahme gefährlich sei. Was auch stimmt, aber nicht, weil Silica-Gel in seiner reinen, weißen Form giftig wäre, sondern weil Verschluckungs- und damit Erstickungsgefahr aufgrund der Beschaffenheit besteht. Allerdings gibt es auch Silica-Gel-Kügelchen, die Zusatzstoffe enthalten, um farblich anzuzeigen, ob die Kügelchen bereits Feuchtigkeit aufgenommen haben. Diese Zusatzstoffe werden als gesundheitsgefährdend, einige sogar als krebserregend, eingestuft.
Silica-Gel-Tütchen können im Haushalt hervorragend wiederverwendet werden, so zum Beispiel zur Trocknung nasser Schuhe oder auch eines nass gewordenen Smartphones.
Welche Wirkung hat Kieselsäure auf den Körper?
Der Hauptbestandteil der Kieselsäure, das Silizium, ist ein nicht-essenzielles Spurenelement. Das heißt, es ist nicht lebensnotwendig für den Menschen. Silizium kommt im menschlichen Körper vor allem in Knochen, Zahnschmelz und Bindegewebe vor. Insgesamt ist es nur in einer Menge von etwa 1,4 Gramm im Körper enthalten.
Silizium wird über Lebensmittel aufgenommen und seine genaue Funktion im menschlichen Körper ist noch nicht abschließend geklärt. Ob es eine Rolle bei der Stabilität von Knochen und Bindegewebe spielt, wird bis heute diskutiert.
Wie eingangs erwähnt, werden der Kieselerde aufgrund des Gehalts an Silizium jedoch vielfältige Wirkungen auf den Körper und Gesundheitsvorteile nachgesagt. So gibt es Hinweise auf folgende positive Effekte:
- Unterstützung der Kollagenbildung und der Elastizität der Haut
- Unterstützung der Wundheilung
- Stärkung der Haar- und Nagelgesundheit (Vorbeugung von Brüchigkeit und Spliss)
- Unterstützung der Knochen- und Knorpelgesundheit
- Stärkung des Immunsystems
Für die oben genannten positiven gesundheitlichen Eigenschaften von Kieselsäure existieren bisher aber keine wissenschaftlichen Belege. Das ist auch der Grund dafür, weshalb Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, die Silizium enthalten, für diese angeblichen Wirkungen ihrer Produkte nicht werben dürfen. Anders verhält es sich jedoch, wenn Kieselerde als traditionelles Arzneimittel verkauft wird. Diese Produkte dürfen mit dem folgenden Hinweis beworben werden: "Traditionell angewendet zur Vorbeugung von brüchigen Fingernägeln und Haaren, zur Kräftigung des Bindegewebes. Diese Angaben beruhen ausschließlich auf Überlieferung und langjähriger Erfahrung."
Wo ist Kieselsäure enthalten?
In der Natur ist Kieselsäure in den Stützgerüsten pflanzlicher und tierischer Lebewesen wie Kieselalgen (Diatomeen), Strahlentierchen (Radiolarien), Glasschwämmen (Hexactinellida) und Schachtelhalmen zu finden. Durch abgestorbene Kieselalgen und Strahlentierchen, deren Lebensraum die Meere bilden, entstehen Ablagerungen auf dem Meeresgrund. Solche Ablagerungen aus dem Miozän (geologische Epoche, die vor etwa 5,3 Millionen Jahren endete) enthalten 70 bis 90 Prozent Kieselerde. Weitere Inhaltsstoffe sind Wasser (drei bis zwölf Prozent) und Spuren von Metalloxiden.
Auch im Grundwasser findet man Kieselsäure, da Regen- oder Sickerwasser aus den Silikaten der Bodenminerale Kieselsäure aufnimmt, weshalb auch Trinkwasser geringe Mengen davon enthält. Als Lebensmittelzusatzstoff ist Kieselerde unter der Bezeichnung E 551 bekannt.
Lebensmittel mit Kieselsäure
Eine der natürlichen Quellen von Kieselsäure sind Pflanzen. Sie nehmen die siliziumhaltige Verbindung aus dem Boden auf und erhöhen die Verwertbarkeit des Mineralstoffs im menschlichen Organismus. Das Ackerschachtelkraut enthält bis zu zehn Prozent Kieselsäure und sticht deshalb mit seinem hohen Siliziumgehalt in den Stängeln besonders heraus. Das Kraut kann in Form von Kapseln oder Tee zur Nahrungsergänzung genutzt werden. Für die Zubereitung des Tees ist es wichtig, dass sich die Kieselsäure erfolgreich aus dem Ackerschachtelhalm löst. Daher sollte das Kraut in kaltem Wasser aufgesetzt und zum Kochen gebracht werden, anschließend sollte es für zehn Minuten ziehen. Noch effektiver ist es, wenn das Kraut über Nacht in kaltem Wasser zieht und am nächsten Morgen aufgekocht wird sowie anschließend für weitere zehn Minuten köchelt.
Normalerweise wird der tägliche Bedarf an Silizium aber durch die übliche Ernährung gedeckt, sodass es nicht notwendig ist, zusätzlich Kieselsäure zuzuführen. Neben Trinkwasser enthalten unter anderem Lebensmittel wie Vollkorngetreide (beispielsweise Hafer, Gerste und Sorghum) sowie Hülsenfrüchte Silizium.
Doch wo ist am meisten Kieselsäure drin? Hier sind einige herausragende Beispiele bezüglich des Gehalts an Kieselsäure pro 100 Gramm:
- Hafer: 595 Milligramm
- Hirse: 500 Milligramm
- Kartoffel: 200 Milligramm
- Mais: 18,9 Milligramm
- Blumenkohl: 8,7 Milligramm
- Kürbis: 7 Milligramm
Gibt es eine Höchstmenge für Silizium?
Ob es durch die Überdosierung von Silizium zu negativen Auswirkungen auf die Gesundheit kommen kann, ist nicht bekannt. Dennoch sollte man sich an die Verzehrempfehlungen halten.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt für frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel die Aufnahme einer Höchstmenge von 350 Milligramm Silizium in Form von Siliziumdioxid beziehungsweise 100 Milligramm Silizium in Form von Kieselsäure pro Tag für Personen ab 15 Jahren. Die Anreicherung sonstiger Lebensmittel mit Siliziumverbindungen ist bislang nicht zugelassen.
Beugt Kieselsäure einem Mangel an Silizium vor?
Bei einer ausgewogenen Ernährung ist es nicht notwendig, gesondert Produkte mit Kieselsäure zu sich zu nehmen. Zudem ist die Frage, ob ein Siliziummangel beim Menschen tatsächlich Symptome auslösen kann, umstritten.
Das BfR gibt an, dass Siliziummangelerscheinungen beim Menschen nicht bekannt seien. Andere Quellen beschreiben jedoch die Möglichkeit eines Mangels und auch dessen Symptome. Sie gehen davon aus, dass sich insbesondere bei Organen, in denen ein höherer Anteil an Silizium gespeichert wird, folgende Symptome zeigen können:
- beeinträchtigte Knochenflexibilität
- verändertes Knorpelgewebe
- reduzierte Kollagenbildung
- brüchige Haare und Nägel
- glanzloses, stumpfes Haar und Haarausfall
- höhere Infektanfälligkeit
- Hautjucken
- Zahnfleischrückgang
Mögliche Nebenwirkungen von Kieselerde-Produkten
In der Vergangenheit wurde Kieselsäure beziehungsweise Kieselerde traditionell als Nahrungsergänzung angepriesen. Die dabei angegebenen gesunden Wirkungen werden jedoch von Fachleuten zunehmend angezweifelt. Es besteht sogar der Verdacht, dass eine direkte Einnahme des Pulvers zu Speiseröhrenkrebs führen oder eine Überdosierung von Kieselerde Nierensteine verursachen könnte.
Eine unabhängige Untersuchung von zehn verschiedenen Kieselerde-Präparaten durch das Institut für Mineralogie der Universität Hamburg und der Bundesanstalt für Materialforschung hat zudem ein eindeutiges Ergebnis erbracht: Unter den untersuchten Produkten waren neun von zehn hauptsächlich mit kristallinen Formen von Kieselerde (also Quarz oder Cristobalit) angereichert. Damit ähnelten sie in ihrer Zusammensetzung gewöhnlichem Sand.
Fein gemahlen wird kristalline Kieselerde teilweise sogar als "Gefahrstoff" eingestuft. Denn als gesichert gilt, dass das Einatmen von Quarzstaub das Risiko für Lungentumoren erhöhen kann. Das Fraunhofer-Institut für Toxikologie in Hannover schließt deshalb nicht aus, dass auch das Schlucken von Quarzstäuben potenzielle Gesundheitsrisiken bergen könnte.
In einigen Kieselerde-Produkten wurden bei Messungen darüber hinaus gesundheitlich bedenkliche Mengen an Blei nachgewiesen. Die Einnahme von Blei kann unter anderem Schädigungen des Nervensystems, eine Störung der Blutbildung oder Nieren- und Leberschäden zur Folge haben. Verbraucher*innen sollten deshalb auf das Prüfsiegel "heavy metal controlled" des Bundesverbands der Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Mittel e.V. (BDIH) achten. Dieses zeigt an, dass eine Überprüfung auf giftige Schwermetalle stattgefunden hat.
Kieselsäure in der Homöopathie
Als Schüßler-Salz Nr. 11 (Silicea) wird Kieselsäure als Wirkstoff auch in der Homöopathie angewendet. Gemäß der Lehre des Arztes Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler kann es zur Behandlung einer Vielzahl von Symptomen eingesetzt werden, darunter:
- brüchige Haare und Haarausfall
- spröde, rissige oder wachstumsgestörte Nägel
- geschwächtes Bindegewebe
- frühzeitige Alterungserscheinungen
- trockene, fleckige Haut
- akute und bleibende Eiterbildungen
- Ekzeme
- Wunden und Narben
- Gelenk- und Knochenbeschwerden
- Muskelschwäche
- überlastete Bänder
- Migräneerscheinungen
- ausgeprägtes Schwitzen und Schweißausbrüche
- Blasen- oder Nierenentzündungen
- Abwehrschwäche
Darüber hinaus wird Kieselsäure laut Schüßler-Lehre auch eine Wirkung auf die Psyche zugeschrieben. Es ist jedoch anzumerken, dass für diese behaupteten Wirksamkeiten kein wissenschaftlicher Beleg existiert.