EMS-Training: Definition, Wirkung und Nebenwirkungen
Beim EMS-Training schlüpfen Menschen in hautenge Anzüge und Westen mit eingearbeiteten Elektroden, damit Stromimpulse ihre Muskeln trainieren und ihre Pfunde schmelzen lassen. Pro Woche sollen schon 20 Minuten der elektrischen Muskelstimulation ausreichen, um klassische sportliche Betätigung zu ersetzen. Was ist dran an dieser Form des Fitnesstrainings? Kann EMS wirklich das Abnehmen beschleunigen und den Muskelaufbau effektiv unterstützen? Hier erfahren Sie, ob die "Fitnessrevolution" hält, was sie verspricht, was beim EMS-Training zu beachten ist und ob es gesundheitliche Nebenwirkungen mit sich bringen kann.
Was ist EMS-Training?
EMS steht für "Elektromyostimulation" – vereinfacht ist auch oft von Elektromuskelstimulation, Elektrostimulationstraining oder elektrischem Muskelaufbau die Rede.
Das Prinzip dahinter ist einfach: Möchten wir uns bewegen, leiten unsere Nerven immer elektrische Impulse vom Gehirn an unsere Muskeln weiter. Die Muskeln ziehen sich daraufhin zusammen, sie kontrahieren.
Beim EMS-Training wird dieser körperliche Prozess elektronisch unterstützt: Während kurze Bewegungsübungen durchgeführt werden, wird ein nieder- oder höchstens mittelfrequenter Stromimpuls von außen zu den Muskeln geschickt, um deren natürliche Kontraktion zu verstärken und die Muskulatur so zu trainieren.
EMS: Trainieren unter Strom
Die stimulierenden Stromimpulse, der sogenannte Reizstrom, stammen beim EMS-Training aus Elektroden, die in eine spezielle Funktionskleidung eingearbeitet sind. Diese Kleidung besteht in der Regel aus einem enganliegenden Ganzkörperanzug sowie einer Weste, einem Hüftgurt und Manschetten an Armen und Beinen, in denen die Elektroden sitzen. Diese werden vor Beginn des Trainings mit Wasser leicht angefeuchtet, damit sie den Strom besser leiten.
Verkabelt ist diese Kleidung mit einem Gerät, das die Stromimpulse erzeugt. Mittlerweile gibt es auch Anwendungen auf dem Mobiltelefon oder Tablet, bei dem die Stromimpulse über eine App in den Elektroden erzeugt und gesteuert werden. Dabei kann jede Muskelgruppe einzeln über Regler angesteuert werden. Das sind zum Beispiel:
- Brust
- Bauch
- Rücken
- Schultern
- Po
- Arme
- Beine
EMS-Training: So geht's!
Das EMS-Training kombiniert Reizstromimpulse über die verkabelte Funktionskleidung mit der gleichzeitigen Durchführung von Übungen. Zum Einsatz kommen hier Klassiker wie Situps und Kniebeugen, aber auch isometrische Halteübungen, also Anspannungsübungen, wie die Plank (Unterarmstütz) oder die Hüftbrücke. In der Regel werden bei der Durchführung der Übungen jeweils einige Sekunden Stromfluss mit einigen Sekunden Pause ohne Strom abgewechselt.
Ein*e EMS-Trainer*in zeigt, welche Übungen durchgeführt werden sollen und reguliert zudem gezielt den Stromfluss für jede Muskelgruppe. Üblicherweise sollte der Stromfluss im Körper keine Schmerzen verursachen, ein kribbelndes Gefühl gilt aber als normal.
Es wird empfohlen, das EMS-Training ein- bis maximal zweimal die Woche für jeweils 15 bis 20 Minuten durchzuführen. Häufigere Sitzungen sind nicht zu empfehlen, da das Elektrostimulationstraining den Körper stark beansprucht und entsprechend lange Erholungsphasen erfordert. Ausreichende Pausen sind umso nötiger, wenn EMS mit einem normalen Sportprogramm kombiniert wird.
Wirkung von EMS-Training auf die Muskulatur
Werden Muskeln immer wieder zum Zusammenziehen angeregt – egal, ob durch körperliche Aktivität, durch elektrische Impulse aus Elektroden oder durch beides gleichzeitig – werden sie auf Dauer gestärkt. So wird bei EMS also die Muskulatur trainiert, ohne dass diese dafür viel bewegt oder mit Gewichten speziell gefordert werden muss.
EMS gilt als sehr effizient und soll die Muskeln deutlich schneller wachsen lassen als normales Krafttraining. Dabei können die verschiedenen Muskelgruppen einzeln oder gleichzeitig trainiert werden. Außerdem soll man beim Training mit den Elektroden – viel besser als bei anderen Sportarten – auch die tiefen Muskelschichten erreichen können. Erste Effekte sollen sich bereits nach wenigen Sitzungen zeigen.
Tatsächlich bescheinigen unterschiedliche Studien, dass EMS dazu beitragen kann, den Muskelaufbau und die sogenannte isometrische Maximalkraft zu steigern. Letztere bezeichnet die größtmögliche Kraft, die ein Muskel aufbringen kann, ohne sich dabei zu verkürzen oder zu verlängern. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn man mit ausgestreckten Armen mit ganzer Kraft gegen eine Wand drückt.
Wie groß die Effekte auf den Muskelaufbau durch EMS-Training sind, ist von Person zu Person sehr unterschiedlich und hängt von Faktoren wie Alter oder persönlichem Trainingszustand ab.
Erfolge in der Physiotherapie
Ihren Ursprung hat die elektrische Muskelstimulation in der Physiotherapie. Dort wird Reizstrom seit vielen Jahren eingesetzt, um – beispielsweise nach einer Verletzung oder einer Knie-OP – gezielt die Muskeln wiederaufzubauen oder einem Muskelschwund vorzubeugen.
Dafür werden allerdings keine speziellen Anzüge benötigt, sondern Elektroden an der entsprechenden Stelle einzeln auf die Haut geklebt. Als kurzzeitige Reha-Maßnahme zum Muskelaufbau hat EMS bereits gute Erfolge erzielt.
Abnehmen durch EMS-Training?
Der Kalorienverbrauch während des EMS-Trainings soll bis zu 500 Kilokalorien (2092 Kilojoule) pro Trainingseinheit betragen. Tatsächlich konnte in Untersuchungen ein Gewichtsverlust bei den Teilnehmenden festgestellt werden. Dieser lag jedoch bei nur etwa 1,5 Kilogramm innerhalb von zehn Wochen. Wie hoch der Kalorienverbrauch bei EMS tatsächlich ist, ist nicht ganz geklärt. Berichte von deutlichen Gewichtsverlusten können auch damit zusammenhängen, dass Personen, die ein EMS-Training beginnen, oftmals auch generell mehr Sport treiben und sich gesünder ernähren als vorher.
EMS statt Sport?
Verlockend ist der Gedanke natürlich, anstatt stundenlangem Joggen, Schwimmen oder Hanteltraining einfach 20 Minuten lang Stromimpulse durch seinen Körper zu schicken. Aber kann die Elektromuskelstimulation tatsächlich ein straffes Sportprogramm ersetzen?
Zum Aufbau von Muskelmasse ist EMS laut dem aktuellen Erkenntnisstand durchaus geeignet. Eine höhere Muskelmasse bedeutet wiederum einen höheren Energieverbrauch – auch im Ruhezustand. Insofern kann das EMS-Training auch das Abnehmen unterstützen.
Man sollte sich aber bewusst machen, dass die elektrische Muskelstimulation ausschließlich die Kraft stärkt. EMS kann also kein Ausdauertraining ersetzen. Dies ist ein Nachteil des Trainings, denn die gezielte Stärkung der Kondition ist wichtig für die Gefäße sowie für ein gesundes Herz-Kreislauf-System. Und auch der Muskelaufbau soll effektiver sein, wenn man das EMS-Training mit einem klassischen Krafttraining kombiniert.
Expert*innen weisen zudem darauf hin, dass auch die Koordination gezielt trainiert werden muss. Wer seine Muskeln für eine bestimmte Sportart durch EMS stärken will, sollte während des Trainings deshalb Bewegungen nachahmen, die für diese Sportart typisch sind.
Des Weiteren werden die Gelenke durch das EMS-Training zwar nicht belastet, aber auch nicht trainiert und können in der Folge durch das mangelnde Training Schaden nehmen. Daher sollte ein EMS-Training das reguläre Sportprogramm nur unterstützen, nicht aber ersetzen.
Nebenwirkungen von EMS-Training
Im Internet zeugen zahlreiche Vorher-Nachher-Bilder und positive Erfahrungsberichte von den Möglichkeiten des EMS-Trainings. Diesen mag man skeptisch gegenüberstehen oder nicht – tatsächlich finden sich aber auch in der Sportwissenschaft viele Befürworter*innen dieser Trainingsmethode.
Dennoch berichten auch einige Menschen über negative Erfahrungen. Kritiker*innen warnen vor folgenden Nebenwirkungen von EMS:
- Übelkeit und Kreislaufprobleme
- Kopfschmerzen
- erhöhtes Risiko der Muskelüberlastung bis hin zu Muskelschäden
- extremer Muskelkater
- muskuläres Ungleichgewicht, da der Körper ungleichmäßig trainiert wird
- Bänderverletzungen, da Knochen und Bindegewebe durch mangelndes Training der Gelenke zurückgebildet werden
Durch das verhältnismäßig intensive EMS-Training kommt es außerdem zu einer erhöhten Ausschüttung des Enzyms Creatin-Kinase (CK). Dieses Enzym wird über die Nieren abgebaut. Fachleute warnen, dass stark überhöhte CK-Werte auf Dauer zu Nierenschäden führen können. Bei Warnsignalen wie plötzlicher Schwäche, Herzrasen oder ungewöhnlichen oder starken Schmerzen nach dem Training sollte ärztlicher Rat gesucht werden.
Kein Grund zur Sorge besteht bei gesunden Personen jedoch bezüglich eines möglichen Effekts des Stroms auf die Organ- und Herzmuskulatur: Diese werden durch die niederfrequenten Stromimpulse nicht beeinträchtigt.
Für wen ist EMS-Training nicht geeignet?
Nicht für jeden ist EMS gleichermaßen geeignet, in manchen Fällen gilt die elektrische Muskelstimulierung sogar als schädlich – etwa bei Herzproblemen. Abgeraten wird beispielsweise Menschen mit:
- Herzschrittmacher
- einer Herz-Kreislauf-Erkrankung
- erhöhtem Thromboserisiko
- Epilepsie
- schweren Erkrankungen, wie Krebs oder Multiple Sklerose
- Spastiken
- Implantaten
- Hautproblemen oder Entzündungen
- Sensibilitätsstörungen
- fiebriger Erkältung, Grippe oder einer ähnlichen Erkrankung
Auch während der Schwangerschaft ist ein EMS-Training nicht zu empfehlen. Grundsätzlich ist es für jede Person, die die Elektromuskelstimulation ausprobieren möchte, ratsam, zunächst ärztliche Rücksprache zu halten.
4 wichtige Grundregeln für ein gesundes EMS-Training
Wenn man die folgenden vier Grundregeln beherzigt, dann steht einem erfolgreichen EMS-Training nichts mehr im Wege:
- Viel trinken: Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist grundsätzlich wichtig – besonders, wenn man Sport macht. Noch wichtiger ist es allerdings beim EMS-Training. Denn während des Trainings können sich große Wassermengen in den Muskeln sammeln. Dies kann Kreislaufprobleme verursachen, wenn vor dem EMS-Training nicht ausreichend getrunken wurde. Auch in Bezug auf die durch das EMS-Training erhöhten CK-Werte ist es besonders wichtig, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um die Nieren zu unterstützen.
- Ausreichend Erholung: Es ist wichtig, ausreichende Erholungsphasen zwischen den Trainingseinheiten einzuplanen und nicht häufiger als ein- oder zweimal pro Woche zu trainieren.
- Moderates Training: Das Training darf nicht zu intensiv sein. Schmerzen zu erdulden, um die Regler auf eine höhere Stufe stellen und vermeintliche größere Effekte erzielen zu können, schadet der Gesundheit mehr als ihr zu nutzen.
- Trainieren unter Anleitung: EMS sollte immer unter fachkundiger Anleitung absolviert werden. Aufgrund der möglichen Risiken eignet sich das EMS-Training nicht dazu, es ohne Trainer*in zu Hause zu absolvieren.
EMS-Training: Kosten und Anbieter
EMS wird in speziellen EMS-Studios angeboten. Einige Fitnessstudios bieten mittlerweile auch EMS-Training an. Die Kosten für ein 20-minütiges EMS-Training variieren je nach Anbieter, liegen aber im Durchschnitt bei circa 20 bis 40 Euro. Wer einmal wöchentlich trainiert, zahlt also pro Jahr etwa 1.000 bis 2.000 Euro. Die Kosten werden in der Regel nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, es sei denn, es liegt eine medizinische Notwendigkeit vor. Dies kann beispielsweise im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen nach einer Operation oder bei chronischen Rückenschmerzen der Fall sein.
Dennoch ist davon abzuraten, ein Heimgerät zu kaufen und auf eigene Faust zu trainieren. Das EMS-Training sollte nur unter professioneller Anleitung erfolgen. Bei guten Anbietern erhält man ein individuell zugeschnittenes Trainingsprogramm, das sich langsam steigert, und vermeidet so mögliche Nebenwirkungen.
Bei der Auswahl eines EMS-Studios kann es hilfreich sein, auf eine TÜV-Zertifizierung zu achten. Dabei werden nicht nur die Geräte geprüft, sondern auch die Ausbildung der Trainer*innen, das Trainingsprogramm sowie die Hygienestandards.
EMS-Training – sinnvoll oder nicht?
Wer wenig Zeit für Sport hat oder sich aus anderen Gründen nicht bewegen kann oder will, für den kann ein EMS-Training – sofern es unter professioneller Anleitung durchgeführt wird – durchaus eine gute Möglichkeit darstellen, die Muskeln zu trainieren oder den Fettabbau zu unterstützen. Vor allem Bauch- und Rückenmuskulatur können von dieser Form des Fitnesstrainings profitieren – ideal also für Menschen, die (zum Beispiel beruflich bedingt) viel sitzen.
Die Elektromuskelstimulation ist jedoch vergleichsweise teuer. Zudem sollte man nicht vergessen, dass das EMS-Training keinen Ersatz für herkömmliches Krafttraining und vor allem nicht für Koordinations- oder Ausdauertraining darstellt – ebenso wenig wie für Bewegung an der frischen Luft.