Alkoholsucht: Ursachen, Symptome und Therapie
Die Alkoholabhängigkeit zählt zu den Suchterkrankungen und kann grundsätzlich jeden Menschen treffen. Die Grenzen zwischen sogenanntem riskantem Konsum und einer Alkoholsucht sind fließend. Bleibt Alkoholismus unbehandelt, ist die Wahrscheinlichkeit für körperliche und psychische Folgeschäden groß. Umso wichtiger ist es, Anzeichen eines Alkoholmissbrauchs frühzeitig zu erkennen und Hilfsangebote wahrzunehmen. Denn eine rasche Diagnose und Therapie verbessern die Prognose deutlich – dennoch erfordert dauerhafte Abstinenz große Willenskraft und Unterstützung von Familie und Umfeld. Welche Symptome treten bei Alkoholismus auf und was tun bei Alkoholsucht? Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie hier.
Was versteht man unter Alkoholabhängigkeit?
Der Grat zwischen moderatem Alkoholkonsum, Alkoholmissbrauch und einer diagnostizierten Alkoholabhängigkeit ist durchaus schmal. Fachleute unterscheiden zwischen risikoarmem, riskantem und schädlichem Alkoholkonsum sowie der Alkoholabhängigkeit. Als riskant gilt Alkoholkonsum dann, wenn (entweder täglich oder durch sogenanntes Rauschtrinken) potenziell schädliche Mengen Alkohol konsumiert werden, jedoch noch keine schädlichen Folgen oder Abhängigkeit bestehen. Schädlicher Alkoholkonsum liegt vor, wenn das Trinken negative Effekte auf die körperliche oder psychische Gesundheit hat – ein "Kater" allein reicht dafür nicht aus. Doch ab wann ist man Alkoholiker oder Alkoholikerin? Wo fängt Alkoholismus an?
Hier ist nicht zwingend die konsumierte Menge entscheidend, sondern vielmehr die Rolle, die der Alkohol im Alltag einnimmt. Eine tatsächliche Abhängigkeit ist dabei durch bestimmte Kriterien gekennzeichnet. Die Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit sind immens und auch das Sozialleben nimmt Schaden. Kein Wunder, dass mit einer Alkoholsucht in der Regel ein großer Leidensdruck einhergeht.
Die Alkoholabhängigkeit gilt per Definition als Suchterkrankung und kann in allen Altersklassen, Kulturen und sozialen Schichten auftreten. Ihre Entstehung und Verlauf sind schleichend, weshalb es häufig recht spät zu einer Diagnosestellung kommt. Dass Alkohol in unseren Breiten toleriert ist, trägt ebenso zu einer hohen Dunkelziffer bei wie der Umstand, dass das Thema Sucht sehr schambehaftet ist. Aktuell kann man davon ausgehen, dass deutschlandweit etwa 1,6 Millionen Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit zu kämpfen haben.
Wann gilt man als alkoholabhängig?
Wie viel ein Alkoholiker oder eine Alkoholikerin tatsächlich trinkt, ist zweitrangig. Ebenso wenig ist entscheidend, welche Art von Alkohol jemand trinkt – sei es beispielsweise Bier, Wein oder Schnaps. Entscheidend für die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit sind konkrete Anzeichen, die erfüllt sein müssen. Dabei werden die sechs Hauptkriterien einer Suchterkrankung herangezogen. Treffen mindestens drei davon innerhalb eines Jahres zu, gilt man der Definition nach als alkoholabhängig.
Die sechs Kriterien einer Alkoholsucht lauten:
- Es besteht ein starkes Verlangen, Alkohol zu trinken.
- Es kommt zu einem Kontrollverlust, was Menge und Häufigkeit des Alkoholkonsums betrifft.
- Es kommt zu einer Toleranzentwicklung: Betroffene müssen die Alkoholmenge stetig steigern, um den erwünschten Effekt zu erzielen.
- Betroffene haben mit Entzugserscheinungen (wie Übelkeit oder Zittern) zu kämpfen, wenn Alkohol nicht in ausreichendem Ausmaß vorhanden ist.
- Interessen und Verpflichtungen werden zugunsten des Alkohols vernachlässigt.
- Auch bei deutlichen Konsequenzen (zum Beispiel Jobverlust, Trennung oder Erkrankungen) wird der Alkoholkonsum nicht unterlassen.
Wie zeigt sich eine Alkoholsucht?
Einen Alkoholmissbrauch zu erkennen, ist gar nicht einfach, weil sich entsprechende Verhaltensweisen und Verhaltensmuster nur langsam einschleichen. Dem körperlichen Verfall bei Alkoholismus geht oftmals ein langer Leidensweg voraus, den Betroffene durchaus geschickt verbergen. Körperliche und psychische Alkoholabhängigkeit macht aber früher oder später mit deutlichen Anzeichen auf sich aufmerksam.
Symptome bei Frauen und Männern sind dabei ganz ähnlich und betreffen den gesamten Organismus. Bei länger andauerndem Alkoholabusus kommt es meist zwangsläufig zu schwerwiegenden gesundheitlichen Konsequenzen. Spätfolgen wie Leberentzündungen, Leberzirrhose, Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Magen-Darm-Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs sind häufig. Auch Mangelernährung sowie ein erhöhtes Risiko für Unfälle und Verletzungen gehören zu den möglichen Auswirkungen.
Nicht zu vernachlässigen sind zudem die sozialen Folgen einer Alkoholsucht. Konflikte im sozialen Umfeld und mit dem Gesetz, Arbeitsplatzverlust sowie Trennungen, Kontaktabbrüche und Isolation kommen häufig vor.
Alkoholabhängigkeit: Symptome und Folgen im Überblick
Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick darüber, welche unmittelbaren Symptome und Langzeitfolgen bei Alkoholismus vermehrt auftreten:
- Enthemmung, aufgehellte Stimmung, Impulsivität nimmt zu
- Beeinträchtigung von Seh-, Hör- und Sprachvermögen
- Wahrnehmungsstörungen, Probleme mit der Koordination
- Beeinträchtigung des Gedächtnisses (vor allem Kurzzeitgedächtnis)
- Magen-Darm-Probleme (beispielsweise Erbrechen, Durchfälle, Appetitstörungen, Reflux, Gastritis, Geschwüre)
- Mangelernährung und Nährstoffmangel
- Schlafstörungen
- Stimmungsschwankungen, Neigung zu Depressionen und Angststörungen
- Minderwertigkeits- und Schuldgefühle
- Halluzinationen und Wahnvorstellungen
- Gefäßveränderungen an der Haut, vor allem im Gesicht (Rotfärbung von Gesicht und Nase, gerötete Augen)
- mitunter Veränderungen der Fingernägel (Streifen, Rötung des halbmondförmigen Bereichs oder Weißfärbung des gesamten Nagels)
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (zum Beispiel Gefäßerkrankungen, Bluthochdruck, Herzmuskelerkrankungen, Herzrhythmusstörungen)
- Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis)
- Auswirkung auf das Gehirn (Hirnatrophie und erhöhtes Risiko für Demenz und Alzheimer)
- erhöhte Leberwerte und Leberschäden (wie Fettleber, Leberentzündungen, Leberzirrhose oder Leberkrebs)
- erhöhtes Krebsrisiko (Tumore im Mund- und Rachenraum, Magenkrebs, Darmkrebs, Leberkrebs)
- erhöhtes Risiko für Unfälle und Verletzungen
- psychosoziale Probleme (Verlust der Arbeitsstelle oder sozialer Kontakte, Konflikte mit dem Gesetz)
- Entzugssymptome, wenn Alkohol nicht zur Verfügung steht (Tremor, Schwitzen, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Krampfanfälle, Reizbarkeit, Aggression, erhöhte Suizidalität)
Aufgrund der zahlreichen gesundheitlichen Folgen einer Alkoholsucht haben Betroffene eine reduzierte Lebenserwartung.
Verlauf: Alkoholismus als Prozess
Eine Alkoholabhängigkeit ist ein schleichender Prozess mit fließenden Übergängen zwischen noch normalem (risikoarmem) Alkoholkonsum, riskantem Trinkverhalten und schädlichem Alkoholmissbrauch bis hin zur Sucht. Da die Folgen eines übermäßigen Konsums meist nicht sofort erkennbar sind, kann die Fassade oft lange aufrecht erhalten werden. Gerade zu Beginn der Sucht erkennt man "heimliche" Alkoholiker oder Alkoholikerinnen als außenstehende Person also kaum.
Wenngleich der Verlauf der Suchterkrankung natürlich individuell verschieden ist, lassen sich dennoch gewisse Stufen oder Phasen ausmachen:
- Zunächst werden Trinkmenge und -häufigkeit gesteigert, um mit bestimmten Situationen besser zurechtzukommen.
- Schleichend nimmt der Alkohol im Denken und Handeln größeren Stellenwert ein.
- Es fällt immer schwerer, die Kontrolle über das Trinkverhalten zu behalten.
- Zwischenmenschliche Beziehungen, Hobbys und Verpflichtungen werden zugunsten des Suchtmittels vernachlässigt.
- Wenn kein Alkohol vorhanden ist, machen sich nun Entzugserscheinungen bemerkbar.
- Am Ende des Prozesses bestimmt das Suchtverhalten den Tagesablauf in der Regel zur Gänze. Körperliche, psychische und soziale Folgen machen sich bemerkbar.
Ursachen: Wie entsteht Alkoholismus?
Einen konkreten Auslöser für die Alkoholkrankheit gibt es nicht, vielmehr spielen unterschiedliche Gründe eine Rolle. Man kann bei der Entstehung einer Alkoholabhängigkeit also von einem multifaktoriellen Geschehen ausgehen. So kommt es vermutlich zu Wechselwirkungen zwischen biologischen Gegebenheiten, sozialen und kulturellen Faktoren sowie individuellen Voraussetzungen.
Untersucht wurde auch die Frage, ob Alkoholismus vererbbar ist. Tatsächlich kann man anhand der Studienlage davon ausgehen, dass es eine genetische Disposition gibt. Auch ein gewisses Nachahmungsverhalten spielt eine Rolle, wenn Kinder kritisches Konsumverhalten von klein auf beobachten. Dieser Effekt kommt ebenfalls in der Pubertät stark zum Tragen. Belastende Lebenserfahrungen und Traumata wie Missbrauch, Mobbing oder Verluste gelten außerdem als Risikofaktoren für die Entwicklung einer Alkoholsucht.
Nicht zuletzt wirkt sich der gesellschaftliche und kulturelle Umgang mit Alkohol entsprechend aus. Zudem ist eine Wechselwirkung zwischen psychischen Erkrankungen und Alkoholmissbrauch zu beobachten.
Alkoholsucht bekämpfen – mit Unterstützung
Möglichst frühzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich in Behandlung zu begeben, wirkt sich positiv auf die Prognose einer Alkoholabhängigkeit aus. Das setzt allerdings voraus, dass sich Betroffene ihrer Suchtproblematik bewusst sind. Den Angehörigen und nahestehenden Personen kommt hier eine wichtige Rolle zu. So hilft es wenig, die Alkoholproblematik zu decken und den Mantel des Schweigens darüber zu breiten. Direkte Konfrontation mit Tatsachen sowie Unterstützung und Begleitung im Therapieprozess sind zielführender. Ansprechpersonen sind neben Hausarzt*Hausärztin oder Psychiater*in vor allem Suchtberatungsstellen.
Therapie: Wie wird die Alkoholabhängigkeit behandelt?
Therapiemöglichkeiten sind bei einer Alkoholabhängigkeit vielseitig und werden individuell auf den*die Patient*in zugeschnitten. Es gibt ambulante sowie stationäre Angebote. Die Behandlung fußt neben dem Alkoholentzug selbst (Entgiftung) auf medikamentöser Unterstützung sowie Psychotherapie zur Entwöhnungsbehandlung. Auch alternative Ansätze wie Entspannungstechniken oder Hypnose kommen zum Einsatz. Ist eine völlige Entwöhnung vom Alkohol nicht möglich, wird in einem ersten Schritt eine Reduktion des Alkoholkonsums angestrebt.
Medikamente gegen Alkoholsucht
Da ein körperlicher Entzug in der Regel mit einer schweren Symptomatik einhergeht und zu Komplikationen führen kann, wird dieser in den meisten Fällen unter ärztlicher Begleitung in der Klinik durchgeführt. Diese körperliche Entgiftung dauert etwa sieben bis 14 Tage. Durch geeignete Medikamentengabe können körperliche und psychische Entzugserscheinungen auf ein erträgliches Maß reduziert werden.
Ein konkretes Mittel gegen Alkoholsucht oder gar rezeptfreie Medikamente oder Hausmittel gibt es zwar nicht, dennoch können Betroffene medikamentös unterstützt werden. Hier kommen Wirkstoffe zum Einsatz, die das Verlangen nach Alkohol drosseln, wie etwa Naltrexon oder Baclofen. Eine Entzugstherapie ersetzen solche Tabletten aber keinesfalls.
Psychotherapie bei Alkoholabhängigkeit
Neben der körperlichen Entwöhnung ist die psychologische Behandlung maßgeblich, damit Betroffene lernen, ohne Alkohol zu leben. Je nach Fortschreiten der Krankheit kommt eine stationäre oder ambulante Psychotherapie in Betracht. Das Angebot wird direkt auf die betroffene Person zugeschnitten. So variieren Einzel- und Gruppentherapie, zusätzlich kommen vielfältige Therapieformen zum Einsatz. Das sind etwa tiefenpsychologische Ansätze, Verhaltenstherapie, familienorientierte oder systemische Ansätze. Ergänzt wird das Angebot durch alternative Methoden wie Entspannungstechniken, Achtsamkeitstraining oder Mal-, Bewegungs- und Musiktherapie.
Alkoholabhängigkeit: Prognose
Dass eine Alkoholsucht ein schleichender Prozess ist und mit deutlicher Scham einhergeht, macht es Betroffenen nicht immer leicht, sich an eine Suchtberatung zu wenden oder ärztliche Hilfe zu suchen. Dabei wirken sich eine frühzeitige Diagnose und geeignete Behandlung positiv auf den Krankheitsverlauf und die Prognose aus. Eine Alkoholsucht ohne adäquate Therapie zu bekämpfen, ist hingegen kaum möglich.
Alkoholikern und Alkoholikerinnen ohne Einsicht drohen langfristig Folgeschäden. Die durchschnittliche Lebenserwartung reduziert sich um bis zu zwölf Jahre, wenn sich Betroffene nicht helfen lassen.
Doch auch mit Behandlung ist die Rückfallquote bei Alkoholismus hoch. Nur etwa 45 Prozent aller Betroffenen sind vier Jahre nach Therapieende noch immer abstinent. Das zeigt auf, dass die Sucht – auch wenn sie überwunden scheint – die Menschen ein Leben lang begleitet. Trockene Alkoholiker und Alkoholikerinnen entscheiden sich immer wieder bewusst für eine Abstinenz und gegen das Trinken. Deshalb ist die Nachsorge besonders wichtig, um Rückfälle zu vermeiden. Anlaufstellen sind hier neben Suchtberatungseinrichtungen deshalb auch Selbsthilfegruppen wie etwa die Anonymen Alkoholiker.