verwirrter Mann mit Delir im Krankenhaus
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Delir: Ursachen & Symptome eines Deliriums

Von: Dr. rer. nat. Isabel Siegel (Diplom-Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 23.11.2022

Der Begriff Delirium wird häufig mit den Anzeichen des Alkoholentzugs in Verbindung gebracht. Dabei tritt der Zustand der Verwirrtheit besonders oft nach Operationen auf und wird auch als Delir oder (veraltet) als Durchgangssyndrom bezeichnet. Aber was passiert genau bei einem Delir, wie lange dauert es und welche Symptome können auftreten? Antworten auf diese und andere Fragen finden Sie im folgenden Artikel.

Definition – was ist ein Delir?

Als Delir wird ein plötzlich auftretender, schwerer Zustand der Verwirrtheit bezeichnet. Dieser macht sich durch Bewusstseinsstörungen, Orientierungslosigkeit und Störungen des Denkens bemerkbar. Das Delir gilt als Psychose, die durch körperliche Ursachen hervorgerufen wird (organische Psychose). Andere Bezeichnungen für das Delir sind Delirium, Durchgangssyndrom, delirantes Syndrom oder akuter Verwirrtheitszustand.

Ein akutes Delir ist eine Notfallsituation, die lebensbedrohlich sein kann und eine sofortige ärztliche Versorgung erfordert.

Delir: vielfältige Symptome

Die Symptome bei einem Delir sind sehr vielfältig, weshalb die Diagnose in manchen Fällen erst verzögert oder gar nicht gestellt wird – denn selbst für medizinisch geschultes Personal sind die Anzeichen oft nicht leicht zu erkennen. Die Symptome lassen sich in verschiedene Bereiche einteilen.

  • Orientierungslosigkeit: Oft wissen die Betroffenen nicht mehr, wo sie sich befinden und warum sie dort sind. Auch das Zeitgefühl geht verloren.
  • Verminderte Aufmerksamkeit: Die Aufmerksamkeit kann gestört sein, sodass die Patient*innen unkonzentriert und abgelenkt wirken. Im Gespräch fällt auch auf, dass abrupt die Themen gewechselt werden und die Gedankengänge abreißen.
  • Geistige und körperliche Beeinträchtigungen (psychomotorische Störungen): Betroffene sind geistig und körperlich sehr unruhig, schreckhaft oder auch aufbrausend. Andererseits sind auch Trägheit (Lethargie) und Teilnahmslosigkeit (Apathie) zu beobachten.
  • Gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus: Es kommt zu Schlafstörungen, bei denen Betroffene nachts wach und aktiv sind und tagsüber schlafen.
  • Störungen der Wahrnehmung und des Denkens: Es treten Scheinwahrnehmungen (Halluzinationen) auf. Dinge werden gesehen oder gehört, die nicht existieren, beispielsweise:
    • das Pflegepersonal im Krankenhaus gibt nur vor, helfen zu wollen
    • eng verwandte Menschen sind gestorben
    • gefährliche Tiere sind in der Nähe, die angreifen wollen
    • abwegige Erklärungen für Geschehnisse in der Umgebung werden gesucht

Charakteristisch ist, dass die Anzeichen für ein Delir plötzlich auftreten und sich nicht schleichend entwickeln. Außerdem können sie sich sehr kurzfristig ändern. So können sich starke Verwirrung und andere Störungen des Bewusstseins mit klaren Momenten, in denen die Betroffenen geistig fit wirken, abwechseln.

Hypoaktives und hyperaktives Delir

Anhand der Symptomatik werden zwei Arten des Deliriums unterschieden:

  • Hypoaktives Delir: Dieses ist durch eine stark herabgesetzte Aktivität gekennzeichnet; der*die Patient*in ist kaum oder gar nicht ansprechbar. Personen mit einem hypoaktiven Delir wirken apathisch, Aufmerksamkeit und Motorik sind verlangsamt.
  • Hyperaktives Delir: Diese seltenere Art ist durch eine übersteigerte Aktivität und Unruhe gekennzeichnet; der*die Patient*in kann aggressiv werden. Diese Menschen wirken agitiert, können Stimmungsschwankungen und psychotische Symptome zeigen.

In den meisten Fällen liegt eine Mischung aus den beiden Arten vor, sodass die unterschiedlichen Symptome im Wechsel auftreten.

Risikofaktoren bei Delir: Wer ist gefährdet?

Manche Personengruppen sind stärker gefährdet, ein Delir zu entwickeln. Zu den Risikofaktoren zählen:

Fallen diese Faktoren mit konkreten Auslösern wie etwa einer Operation oder einer Infektion zusammen, kann ein Delir die Folge sein. Auch können die genannten Risikofaktoren bereits selbst einen solchen Auslöser darstellen, beispielsweise Dehydratation oder Medikamenteneinnahme. Je stärker eine Person vorbelastet ist, desto wahrscheinlicher tritt ein Delirium auch bei weniger schwerwiegenden Auslösern auf.

Für Ärzte*Ärztinnen ist es daher wichtig, beispielsweise vor einer OP über das Vorliegen möglicher Risikofaktoren informiert zu sein, denn mit entsprechenden Maßnahmen zur Prävention (beispielsweise den Verzicht auf bestimmte Arzneimittel) kann versucht werden, die Wahrscheinlichkeit eines Delirs zu reduzieren.

Was kann ein Delir auslösen?

Die genauen Ursachen für die Entstehung eines Delirs sind noch nicht geklärt. In der Regel handelt es sich um ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die in einer Ausnahmesituation auf den Menschen einwirken.

Eine solche Ausnahmesituation kann zum Beispiel sein:

  • eine größere Operation
  • ein Krankenhausaufenthalt, insbesondere auf der Intensivstation
  • eine schwere Infektion mit hohem Fieber, auch COVID-19
  • der Entzug von Alkohol oder Medikamenten oder aber die Gabe bestimmter Arzneimittel
  • ein künstliches Koma
  • Nahrungsmangel oder zu wenig Flüssigkeit

In einer solchen Situation leidet der Körper unter Stress, der zum Beispiel durch Narkosemittel, Schmerzen, Verletzungen oder Entzündungen ausgelöst werden kann. Infolgedessen gerät die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen im Gehirn aus dem Gleichgewicht. Es werden teilweise zu starke oder zu schwache Signale zwischen den Nervenzellen gesendet. Ältere Menschen scheinen besonders anfällig für diese Funktionsstörung des Gehirns zu sein.

Delirium: Formen der akuten Verwirrtheit

Man unterscheidet je nach Auslöser verschiedene Formen des Delirs, beispielsweise die folgenden:

Das postoperative Delir tritt meist innerhalb von fünf Tagen nach einer Narkose im Zuge einer Operation (OP) auf. Es stellt eine der häufigsten Komplikation nach einer OP dar – insbesondere im Alter von mehr als 65 Jahren oder bei Demenzkranken. Dabei kann es sowohl nach einer Vollnarkose als auch nach einer örtlichen Betäubung auftreten. Das Risiko für ein postoperatives Delir ist nach großen operativen Eingriffen mit einer langen Narkose, wie bei einer Herz-OP oder einem Hüftgelenksersatz, besonders hoch.

Da man in der Vergangenheit davon ausging, dass es sich beim Delir nach einer OP um einen vorübergehenden Zustand handelt, wurde es früher auch als Durchgangssyndrom bezeichnet. Heutzutage weiß man, dass nach einem Delir bei circa 25 Prozent der Betroffenen Wahrnehmungsstörungen dauerhaft auftreten können. Die Verwendung der Begriffe "Durchgangssyndrom" und "Übergangssyndrom" wird daher von Fachleuten nicht mehr empfohlen. Umgangssprachlich werden die Bezeichnungen jedoch weiterhin häufig genutzt.

Bei sehr hohem und langanhaltendem Fieber kann es zu einem Fieberdelir kommen. Dabei ist die Wahrnehmung der Betroffenen gestört, es kann zu Ängsten und Unruhe oder auch zu großer Teilnahmslosigkeit kommen.

Bei bestehender Alkoholabhängigkeit kann durch Alkoholentzug ein Delir hervorgerufen werden. Ein anderer Name für das Alkoholentzugsdelir ist Delirium tremens.

Wie kann es zu einem postoperativen Delir kommen?

Die Situation nach einer OP und ein möglicher Aufenthalt auf der Intensivstation bedeuten für Patient*innen enormen Stress. Abgesehen von den körperlichen Leiden kommt die psychische Belastung durch Angst und Ungewissheit hinzu.

Zu den körperlichen Auslösern eines postoperativen Delirs gehören:

  • Narkosemittel während der OP
  • der Eingriff selbst, da es zu einer Verletzung und einer nachfolgenden Entzündungsreaktion kommt
  • Medikamente im Anschluss an die OP

Auch eine schwere Erkrankung ohne OP, die einen Aufenthalt auf der Intensivstation erforderlich macht, kann zum Delir führen.

Zudem stehen bestimmte Medikamente im Verdacht, das Gehirn so zu belasten, dass ein akuter Verwirrtheitszustand entsteht. Ein Delir auslösende Medikamente können beispielsweise Sedativa sein. Sedativa sind Medikamente mit beruhigender und dämpfender Wirkung. Hierzu gehören Wirkstoffe wie Benzodiazepine, Barbiturate, Propofol und Ketamin. Dies sind Beruhigungsmittel, die Intensivpatient*innen zur Dämpfung von Angst und Unruhezuständen verabreicht werden. Denn bei ruhigen Personen können diagnostische und therapeutische Maßnahmen, wie eine künstliche Beatmung, leichter durchgeführt werden.

Delir und Demenz

Delir und Demenz können manchmal nur schwer voneinander getrennt werden, denn die Anzeichen sind oft ähnlich. Wie wichtigsten Unterscheidungsmerkmale sind folgende:

Ein Delir ...Eine Demenz ...
entwickelt sich schnell innerhalb von Stunden oder Tagenentwickelt sich schleichend über Monate oder Jahre
kann sich in der Ausprägung von einem Tag auf den anderen ändern und stellt einen akuten Zustand darstellt eine fortdauernde Erkrankung dar
geht häufig mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen einherist eher selten mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen verbunden
zeigt sich durch Ruhelosigkeit, aber auch durch Antriebslosigkeithat einen geringeren Einfluss auf die körperliche Aktivität; Apathie, Antriebslosigkeit und nächtliche Unruhe sind jedoch auch im Rahmen einer Demenz möglich
kann sich auf die Sprache auswirken, sodass entweder sehr viel oder sehr wenig und oft unzusammenhängend geredet wirdführt zu Wortfindungsstörungen bis hin zum Verstummen

Das Delir kann auch bei einer Demenz auftreten. Ein Delir kann zum Beispiel entstehen, wenn demente Personen vergessen zu trinken und es zu einem Flüssigkeitsmangel im Körper kommt. Auch eine Durchfallerkrankung oder die Einnahme bestimmter Medikamente kann bei älteren Menschen mit einer Demenz zu einem Delirium führen. Das Delir bei Demenz ist besonders kritisch, weil es häufig nicht erkannt wird. Das erhöht das Risiko für weitreichende Folgen für die Betroffenen, wie unter anderem eine deutliche Verschlechterung des Kurzzeitgedächtnisses.

Delir in der Sterbephase

Bei mehr als zwei Drittel der Menschen in der Sterbephase, das heißt in den letzten drei bis sieben Tagen vor dem Tod, entsteht ein Delir. Dieses bleibt häufig unerkannt, vor allem, wenn es sich um Betroffene handelt, die gleichzeitig an einer Demenz leiden. Wichtig in dieser Situation ist es, Stress und Angst zu reduzieren und eventuell vorhandene Schmerzen zu lindern. Dazu gehört aus medizinischer Sicht die Gabe von entsprechenden Medikamenten, aber auch, den Flüssigkeitshaushalt zu normalisieren und die Sauerstoffversorgung zu verbessern.

Wie häufig ist ein Delir?

In Deutschland entwickeln insbesondere Patient*innen, die sich einer Behandlung im Krankenhaus unterziehen müssen, ein Delir:

  • ungefähr drei bis vier von zehn Personen (30 bis 40 Prozent), die stationär im Krankenhaus behandelt werden
  • bis zu drei von 10 Personen (30 Prozent) derjenigen, die auf der Intensivstation liegen, bei Beatmung sind es sogar 8 von 10 Personen (80 Prozent)

Allerdings weichen die Angaben zur Häufigkeit in unterschiedlichen Studien zum Teil stark voneinander ab, was sich vermutlich vor allem auf methodische Unterschiede zurückführen lässt.

Wie lange dauert ein Delir?

Das Delir ist ein vorübergehender Zustand. Die Dauer der akuten Verwirrtheit reicht von wenigen Stunden bis zu vielen Tagen, kann sich aber auch über mehrere Wochen erstrecken. Meistens treten die Anzeichen für ein Delir zu Beginn sehr schnell auf. Der weitere Verlauf kann von verschiedenen Phasen geprägt sein, die sich rasch abwechseln: Die Betroffenen erscheinen völlig normal, im nächsten Moment sind sie orientierungslos und können nicht unterscheiden zwischen Wirklichkeit und Fantasie.

Bei einigen Menschen beeinflusst das Delir über eine längere Zeit die Funktion des Gehirns. Es können Langzeitfolgen, wie Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit, auftreten. Die meisten Betroffenen überwinden das Delir jedoch und erholen sich vollständig.

Was macht ein Delir so gefährlich?

Auch wenn eine vorübergehende Verwirrtheit auf den ersten Blick nicht lebensbedrohlich erscheinen mag, ist ein Delir durchaus gefährlich.

Das größte Risiko besteht darin, dass sich Menschen im Delirium selbst gefährden. So reißen sie beispielsweise Katheter oder Beatmungsschläuche heraus oder verletzen sich bei Stürzen, weil sie etwa eigenständig das Bett verlassen und weglaufen möchten. Auch verweigern viele Patient*innen die nötige Behandlung oder Rehabilitationsmaßnahmen, weil sie sich beispielsweise infolge ihrer Halluzinationen durch das Krankenhauspersonal bedroht fühlen. So kann es zu lebensgefährlichen Komplikationen oder einer verzögerten Genesung kommen.

Aber auch nicht unmittelbar lebensbedrohliche Folgen wie Pflegebedürftigkeit oder Demenz sind möglich.

Wie behandelt man ein Delir?

Die Behandlung des Delirs hängt von der jeweiligen Ursache ab. Daher ist es wichtig, zunächst die Ursache für die akute Verwirrtheit zu finden. Ist zum Beispiel ein bakterieller Infekt die Ursache, kann dieser mit Antibiotika therapiert werden. Wird die Ursache behandelt, kann sich das Delir innerhalb von kurzer Zeit bessern. Zur Linderung der Symptome werden häufig Arzneimittel wie Neuroleptika oder Beruhigungsmittel eingesetzt. Anwendung finden beispielsweise Haloperidol, Risperidon oder Quetiapin.

Bei der Therapie sind neben Medikamenten auch nicht-medikamentöse Maßnahmen wichtig. Hierzu zählen beispielsweise:

  • eine ruhige Atmosphäre schaffen, die Sicherheit und Stabilität vermittelt
  • Angehörige, die sich einbringen und Nähe zu den Betroffenen schaffen
  • frühzeitig mit der Mobilisierung nach einer OP beginnen, um Muskeln und Kreislauf zu stärken
  • geistige Aktivitäten anregen, etwa mithilfe von Spielen oder Rätseln
  • für Orientierung sorgen, zum Beispiel eine Uhr oder einen Kalender sichtbar aufhängen sowie die Person bei Bedarf zur Verwendung von Brille und Hörgerät anhalten

Da es sich bei einem Delir um ein Krankheitsbild handelt, dem viele verschiedene Ursachen zugrunde liegen können, ist die Behandlung oft schwierig. Das wichtigste Ziel der Therapie ist, die Betroffenen in kleinen Schritten wieder in ein normales Leben zurückzubringen.

Therapie bei Delir: Was können Angehörige tun?

Nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen ist ein akuter Verwirrtheitszustand eine beängstigende Situation. Daher sollten sich Angehörige zunächst klar machen, dass das Delir in den meisten Fällen folgenlos vorübergeht. So kann man besser damit umgehen.

Für die deliranten Personen ist es hilfreich und heilungsfördernd, wenn vertraute Menschen anwesend sind, sich um sie kümmern und mit ihnen reden. Das ist vor allem bei einem Aufenthalt im Krankenhaus wichtig. Angehörige können Folgendes tun:

  1. Verbringen Sie möglichst viel Zeit mit der betroffenen Person. Sprechen Sie sich gegebenenfalls in der Familie ab, sodass Sie sich mit den Besuchen abwechseln können. Das entlastet gleichzeitig auch die einzelnen Familienmitglieder.
  2. Versuchen Sie, ruhig und besonnen zu bleiben, auch wenn die Person unruhig und verwirrt ist. Erklären Sie ihr wiederholt, wo sie ist und warum der Aufenthalt im Krankenhaus notwendig ist.
  3. Sprechen Sie viel mit der Person, damit sie Ihre Stimme hören kann. Wenn Sie nicht wissen, worüber Sie reden sollen, dann lesen Sie aus einem Buch vor oder schauen Sie sich gemeinsam Fotos an und erzählen etwas dazu.
  4. Halten Sie die Hand der Person, um Nähe zu zeigen, sie zu beruhigen und ihr Sicherheit zu vermitteln.
  5. Bringen Sie Dinge von zu Hause mit. Durch Kleinigkeiten wie Bilder, Kissen oder eine Kuscheldecke können Sie eine vertraute Atmosphäre schaffen.
  6. Führen Sie ein Tagebuch, in dem Sie notieren, was täglich passiert. Dieses kann später dabei helfen, Erinnerungslücken zu schließen und Erinnerungen zu sortieren.

Diese Maßnahmen können zu einem schnelleren Abklingen der Symptome führen und den Heilungsprozess bei einem Delir unterstützen.

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